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Lebenslanges Lernen – ein individuelles oder kollektives Anliegen?

Angesichts der rasanten Veränderungen in der heutigen Welt ist es wichtig, durch lebenslanges Lernen mit den neuen Anforderungen Schritt zu halten – privat wie im Job. Trends wie Selbstmanagement und Selbstabsorption (in den sozialen Medien) widerspiegeln tiefgreifende gesellschaftliche Verlagerungen – weg von der kollektiven Verpflichtung hin zum individuellen Fokus. Bei wem liegt nun die Verantwortung für das lebenslange Lernen?

Einige Zahlen und Fakten

Es gibt in der Schweiz zirka 4,5 Millionen Beschäftigte, wobei die Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen (59%) und der älteren Erwerbstätigen (76%) vergleichsweise hoch ist. Bei Schweizerinnen und Schweizern findet lebenslanges Lernen rege Befürwortung, wobei sich 62% aktiv an dieses Prinzip halten. Die Motivation zum Lernen kann beruflicher oder privater Natur sein, wobei erstere leicht überwiegt. Lebenslanges Lernen aus rein beruflichen Gründen ist für Männer erheblich häufiger ein Ziel als für Frauen.

Rollenverteilung

In der Schweiz drückt das Berufsbildungsgesetz (BBG) klare Unterstützung für die berufliche Weiterbildung durch lebenslanges Lernen aus und betont die Flexibilität des Schweizer Systems dank seiner Durchlässigkeit zwischen den Bildungsbereichen.

Schweizweit obliegt es den Kantonen, die Verteilung und die Durchführung der Berufsausbildung sicherzustellen. Doch auch private Unternehmen müssen massiv in lebenslanges Lernen investieren, und dies wird immer dringlicher erforderlich. Tatsächlich äussern bereits 69% der Schweizer Beschäftigten den Wunsch, dass ihr Arbeitgeber die Entwicklung von Fortbildungsmöglichkeiten regelt. Dies ist eine Erkenntnis der Adecco Future Skilling Study von 2018, aus der auch hervorging, dass nur 19% der Beschäftigten in letzter Zeit digitale Qualifikationen, jedoch 48% technische oder berufsspezifische Qualifikationen erworben haben. Schliesslich sehen sich 61% der Schweizer Beschäftigten selbst in der Verantwortung, neue Kompetenzen zu erwerben.

Voller Einsatz?

Laut einer Umfrage von Deloitte zeigt die Selbsteinschätzung der Schweizer Arbeitnehmer, dass sie ihre grösste Schwäche im Bereich der Hard Skills sehen. Nur 17% glauben, dass sie über fortgeschrittene IT-Kenntnisse verfügen, 23% über gute technische und 26% über gute sprachliche Fähigkeiten. Mehr als die Hälfte hingegen ist überzeugt, sie habe ausreichende Soft Skills in Bereichen wie Teamarbeit und Problemlösung, und sieht dort keinen Weiterbildungsbedarf, um die künftigen beruflichen Chancen zu wahren.

Doch wie realistisch sind solche Selbsteinschätzungen? In der Studie von Deloitte üben Personalfachleute direkte Kritik an dieser optimistischen Selbsteinschätzung zu Teamwork und Problemlösungsfähigkeiten. Viele Arbeitnehmer erkennen nicht, dass Weiterbildung notwendig ist, um im schnelllebigen, digitalisierten Umfeld von heute mitzuhalten, in dem bereits jetzt die traditionellen Arbeitsmodelle infrage gestellt werden.

Eine Frage der Verantwortung – Philosophie versus Realität

Die Verantwortung des Einzelnen war lange Gegenstand der philosophischen Debatte und ist auch beim Thema lebenslanges Lernen von höchster Relevanz. Laut Hans Lenk (Zeitschrift Philosophy Now) gibt es mindestens vier Dimensionen der Verantwortung:

  1. Verantwortung für Handlungen und ihre Folgen
  2. Aufgaben- und Rollenverantwortung
  3. Universelle moralische Verantwortung
  4. Rechtliche Verantwortung

Angewandt auf den individuellen Berufsweg oder auch auf die Bürger und Bürgerinnen, liegt die Bringschuld daher beim Einzelnen, etwa die Funktionsweise von E-Voting und Online-Banking zu verstehen oder sich zum lebenslangem Lernen zu verpflichten, um mehr zu leisten oder im Job weiterzukommen.

Tatsächlich scheint ein Konsens darüber zu bestehen, dass das lebenslange Lernen eine gemeinsame Verantwortung ist. Ein Unternehmen ist für die Mitarbeiterausbildung zuständig, während die Verantwortung für die Mitarbeiterentwicklung zwischen dem Management und den einzelnen Mitarbeitenden aufgeteilt ist. Das Management muss die richtigen Ressourcen und eine Umgebung bieten, in der die Wachstums- und Entwicklungsbedürfnisse der einzelnen Mitarbeitenden unterstützt werden.

Eine wertvolle Investition

Wenn die Mitarbeitenden die Möglichkeit erhalten, am Arbeitsplatz eine Weiterbildung sowie Zeit und die entsprechenden Mittel zu beantragen, dann ist dies für das Unternehmen mit finanziellem Aufwand verbunden. Doch dieser lohnt sich im Hinblick auf die Erhaltung der Kompetenzen und der Arbeitszufriedenheit der zukünftigen Beschäftigten ganz eindeutig.

Letztendlich ist der Einsatz für lebenslanges Lernen jeder einzelnen Person eine Investition, die sich auszahlt – sowohl auf individueller wie auch auf gesellschaftlicher Ebene.

Gemäss der WEF-Studie „The Future of Jobs“ aus dem Jahre 2018 ist in den nächsten Jahren ein Jobwachstum zu erwarten, das Qualität, Standorte, Formate und Dauer neuer Stellen deutlich verändern wird. Arbeitsplätze werden sich flexibel und global verschieben und je nach Technologieakzeptanz und Anpassungsfähigkeit der Beteiligten, werden mannigfaltige Auswirkungen auf die einzelnen Branchen zu spüren sein.

Auch Frauen in der Schweiz werden von dieser Entwicklung voraussichtlich in grossem Masse betroffen sein, da sie überproportional in den typischen KV-Berufen tätig sind, die durch die Digitalisierung stark unter Druck geraten. In den Berufen, die mit der Digitalisierung an Bedeutung gewinnen, sind die MINT-Disziplinen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) besonders gefragt und eben da fehlt immer noch ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis.

Die Begeisterung für Informatik muss in der Schule beginnen. Aber wird der obligatorische Informatikunterricht das Problem lösen? In den nächsten Jahren wohl kaum. Bei den meisten Informatikberufen sind ausserdem deutliche Anzeichen für einen ungedeckten Fachkräftebedarf vorhanden. Hohe Qualifikationsanforderungen erschweren die Suche nach entsprechend qualifiziertem Personal zusätzlich.

Quereinstieg – aber richtig!

Lifelong Learning ist das Gebot der Stunde in unserer digitalisierten Welt. Wie wäre es nun, wenn eine speziell für Frauen entwickelte nationale Umschulungs- und Weiterbildungsinitiative gestartet werden würde, um eine Parität der Geschlechter in der Informatik voranzutreiben?

Ideal wäre es natürlich, wenn während solcher Weiterbildungen nicht auf ein Einkommen verzichtet werden müsste. Unternehmen sollten Quereinsteigerinnen die notwendigen Schulungen intern oder extern ermöglichen: durch finanzielle Unterstützung, zeitliche Entlastungen und flexible Arbeitsmodelle.

Es gilt auch zu betonen, dass die Entscheidung für einen Quereinstieg nicht nur von den Job- und Karriereaussichten getrieben sein sollte. Wie immer in der Berufswahl, sollte man auch seine Eignung und die Begeisterungsfähigkeit für eine neue Tätigkeit überprüfen. Wichtig ist, sich bewusst zu sein, welche Stärken bereits im alten Beruf zur Geltung kamen und auch im neuen Job von Nutzen sein können.

Die Schweiz als Vorbild

Es ist absolut notwendig, dass Schlüsseltechnologien wie auch innovative Produktentwicklungen von einer diversen Belegschaft konzipiert werden. Eine einseitige Perspektive stellt ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Risiko dar und die Schweiz muss hier als ein führendes Innovationsland eine Vorbildrolle einnehmen.

Damit Technologie wirklich zukunftsweisend sein kann, darf sie niemanden ausschliessen. Auch Ginni Rometty, CEO und Präsidentin von IBM, hat sich dementsprechend geäussert: „Damit Technologie wirklich ethisch und unvoreingenommen ist, müssen alle die gleichen Chancen haben, sich an ihrer Entwicklung zu beteiligen.“

Und jetzt?

Der rasche Technologiewandel, die Wichtigkeit der Anwendersicht und der Fachkräftemangel sind an sich eine sehr gute Ausgangslage. Die ursprüngliche Ausbildung und der Abschluss sind wichtig, aber je länger man im Berufsleben steht, umso weniger entscheidend. Entscheidend sind neue Kenntnisse und Erfahrungen, woher auch immer sie kommen. Weiterbildung – eben Lifelong Learning – wird gefordert und gefördert. In zahlreichen Studien wird immer wieder festgestellt, dass sich Frauen eher unterschätzen, für technische Berufe geeignet zu sein. Aber die Informatik braucht dringend eine weiblichere Perspektive!

Damit das gelingt, muss ein Strukturwandel stattfinden. Es braucht nicht nur mehr (weibliche) Vorbilder, sondern vor allem ein Umdenken: in den Unternehmen, in den Ausbildungsinstitutionen, in der Berufsberatung, aber auch in der Familie und in der Bildungspolitik!

Von Dr. Alain Gut, Director Public Affairs, IBM Schweiz AG und Präsident der Kommission Bildung von ICTswitzerland