Die neu gegründete Parlamentarische Gruppe Weiterbildung setzt sich für ein innovatives und allen zugängliches Weiterbildungssystem ein. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wie so die digitale Transformation produktiv gemeistert werden kann.

In der Sommersession 2019 hat sich die parteipolitisch breit abgestützte parlamentarische Gruppe Weiterbildung gesucht und gefunden. Das Co-Präsidium teilen sich die Nationalratsmitglieder Matthias Aebischer (SP, BE), Philipp Kutter (CVP, ZH), Rosmarie Quadranti (BDP, ZH), Maya Graf (GP, BL), Christoph Eymann (LDP, BS) und Isabelle Chevalley (GLP, VD). Ziel der Gruppe ist es, pressierende weiterbildungspolitische Themen aufzugreifen und politische Entscheide vorzubereiten. Dazu gehört insbesondere auch die Frage, welche Rolle Weiterbildungen in der digitalen Transformation übernehmen können und müssen.

Es ist eine oft angeführte Binsenweisheit: die voranschreitende Digitalisierung verändert die Anforderungen an das Kompetenzportfolio Erwerbstätiger grundsätzlich und stetig. Gemäss Digitalisierungsexperten wie Joël Luc Cachelin verläuft der Digitalisierungsprozess exponentiell, und gewinnt somit laufend an Geschwindigkeit und Einfluss. Das ist einer der entscheidenden Gründe, warum Erwerbstätige sich ebenfalls fortlaufend an diese Entwicklung anpassen und neue Kompetenzen aneignen sollten.

Der Tenor nahezu aller Studien, die sich den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt (zuletzt der OECD Outlook „The Future of Work“) widmen, ist die Feststellung, dass lebenslanges berufliches Lernen immer essentieller werde. Wer sich beruflich nicht laufend weiterbilde, gehöre bald zu den „Digitalisierungsverlierern“ und sei stark gefährdet, aus dem Arbeitsmarkt auszuscheiden. Diese Erkenntnis betrifft Erwerbstätige in praktisch allen Branchen und auf allen Stufen. Kurzum: Unternehmen, die nicht in die Weiterbildung investieren, setzen ihre Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel.

Die parlamentarische Gruppe Weiterbildung ist vor diesem Hintergrund mit folgenden Fragen konfrontiert: Wie muss der Staat auf diese Beobachtungen und Entwicklungen reagieren? Welche Massnahmen können helfen, um die Weiterbildung gezielt zu fördern? Oder reagiert die Wirtschaft eigenständig und erhöht die eigenen Investitionen in Weiterbildungsmassnahmen deutlich?

Wie der Bildungsbericht 2018 zeigt, ist letzteres bisher nicht der Fall. Die Schweizer Unternehmen sind der Digitalisierung (und anderen Entwicklungen des Arbeitsmarktes) in den letzten 20 Jahren nicht mit signifikant erhöhten Weiterbildungsinvestitionen begegnet. Sie investieren ausserdem weiterhin sehr selektiv in ihre Mitarbeitenden. In kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) wird nur rund ein Drittel der Mitarbeitenden in Weiterbildungswünschen unterstützt, in grossen Unternehmen ist es lediglich etwas mehr als die Hälfte.

Die Zahlen des BFS zeigen zudem, dass Erwerbstätige (weiterhin) oft nicht bereit sind, die selektive Weiterbildungstätigkeit ihrer Arbeitgeber durch eigene Investitionen in die berufliche Weiterbildung zu kompensieren. Nur 5% der Erwerbstätigen, die nicht von ihren Arbeitgebern unterstützt werden, nehmen selbstfinanziert an beruflichen Weiterbildungen teil. Das im neuen Weiterbildungsgesetz so hoch gehaltene Prinzip der Eigenverantwortung funktioniert in der beruflichen Weiterbildung also noch nicht.

Die Bundesbehörden waren in den letzten Jahren jedoch nicht untätig. Seit der Einführung des Weiterbildungsgesetzes 2017 unterstützt der Bund die Kantone im Bereich der Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener und setzt zudem einen Förderschwerpunkt zur Stärkung der Grundkompetenzen am Arbeitsplatz um. Im Rahmen der Strategie Berufsbildung 2030 werden darüber hinaus Massnahmen zur Stärkung der Berufs-, Studien und Laufbahnberatung erarbeitet. Am 15. Mai dieses Jahres hat der Bundesrat zudem Initiativen für ältere Arbeitnehmende beschlossen. Er will unter anderem eine kostenlose Standortbestimmung, Potenzialanalyse und Laufbahnberatung für Personen ab 40 Jahren ermöglichen.

Alle diese Vorhaben sind positiv zu werten. Aber es muss die Frage erlaubt sein, ob diese vor dem Hintergrund der strukturellen Veränderungen, welche die Digitalisierung mit sich bringt, genügen. Vor allem, weil die Wirtschaft in den letzten zehn Jahren von einer starken Konjunktur und tiefer Arbeitslosigkeit profitiert hat. Was passiert, wenn die Wirtschaft in eine Rezession abrutscht? Aktuell verdichten sich die Zeichen für einen solchen Abschwung.

Kurzum: Weiterbildung ist einer der entscheidenden Wettbewerbsfaktoren für die Schweizer Volkswirtschaft. Er führt dazu, dass das vorhandene Lern- und Leistungspotential optimal genutzt wird. Die parlamentarische Gruppe Weiterbildung tritt also rechtzeitig auf den Plan.

Von Bernhard Grämiger, Schweizerischer Verband für Weiterbildung (SVEB)