Die digitale Transformation ist gekommen, um zu bleiben. Daher müssen wir den Dialog dazu ständig fördern, um das Bewusstsein für die digitale Welt zu schärfen. Die Digitalisierung bringt nicht nur Chancen, sondern auch Risiken, die es zu bewältigen und ernst zu nehmen gilt. In meiner Reihe «Dialoginterviews» diskutiere ich diese Aspekte mit Führungskräften der Schweiz, von unseren Mitgliedern über Digital Shaper bis hin zu Top-Kräften der Bereiche Technologie und Innovation.

Für diese Ausgabe sprach ich mit FDP-Politikerin Carmen Walker Späh, der amtierenden Regierungsrätin und Volkswirtschaftsdirektorin des Kantons Zürich, über die Innovationsfähigkeit der Region, vielversprechende neue Projekte und über eine gesunde Konkurrenz.

Nicolas Bürer: Im diesjährigen «Regional Innovation Scoreboard» der EU-Kommission belegt die Region Zürich die führende Position im europäischen Vergleich. Welche Initiativen oder Rahmenbedingungen des Kantons hatten in den letzten Jahren eine positive Wirkung auf dessen Innovationsfähigkeit?

Carmen Walker Späh: Unser Kanton hat sich in den vergangenen Jahren im internationalen Standortwettbewerb eine hervorragende Position erarbeitet. Wir haben ein einmaliges und sehr breit gefächertes Innovationsökosystem auf kleinstem Raum: Hochschulen und Forschungsinstitutionen, die zu den besten der Welt gehören; viele innovative Startups und KMU; internationale Unternehmen, die sich hier angesiedelt haben, sowie diverse Initiativen und Fördereinrichtungen, die sich der Innovation und dem Unternehmertum verschrieben haben. Das ist aber nicht einzelnen Initiativen zu verdanken, sondern dem langjährigen und breit abgestützten Engagement verschiedener Akteure, die sich für attraktive Rahmenbedingungen einsetzen. Wichtig ist ebenfalls das innovationsfreundliche, rechtliche und politische Klima. Zudem konnte über die letzten Jahre der Austausch zwischen den treibenden Kräften aus Forschung, Politik und Privatwirtschaft etabliert und stetig intensiviert werden. Hier sind aus meiner Sicht vor allem kurze Wege zwischen den verschiedenen Akteuren und insbesondere zur Verwaltung und zur Politik von zentraler Bedeutung.

Nicolas Bürer: Das Scoreboard zeigt, dass auch andere Schweizer Regionen und europäische Länder, Zürich dicht auf den Fersen sind. Welche Bereiche würden sie in Zürich gerne weiter verbessern, damit der Kanton an der Spitze bleibt?

Carmen Walker Späh: Der nationale und internationale Wettbewerbsdruck steigt. Wenn wir unsere gute Position auch in Zukunft sichern wollen, dürfen wir uns nicht zurücklehnen. Schon heute sind bei uns Unternehmen angesiedelt, die an Zukunftstechnologien mit grossem Potenzial arbeiten: Blockchain, künstliche Intelligenz, autonome Mobilität und Drohnen oder auch neue Verfahren und Technologien in den Bereichen Cleantech und Life Sciences werden in Zürich auf hohem Niveau untersucht. Diese müssen wir noch stärker unterstützten und vernetzen.

Nicolas Bürer: Was sind die neuesten Innovationsprojekte des Kantons, die aktuell oder in naher Zukunft für die nächsten Jahre vielversprechend sind?

Carmen Walker Späh: Das vielversprechendste Projekt zur Ergänzung des Innovationsökosystems im Wirtschaftsraum Zürich ist sicher der Innovationspark, der zurzeit auf dem Flugplatz Dübendorf entsteht. Er steckt zwar noch in den Kinderschuhen, ist aber in seiner Art bereits heute einzigartig: der Innovationspark bietet zentrumsnah und verkehrlich sehr gut erschlossen viel Platz, um an neuen Technologien zu forschen. Als Zentrum für Forschung, Entwicklung und Innovation stärkt er die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. So können Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung schneller in marktfähige Produkte umgewandelt werden. Davon profitiert unser Wirtschaftsstandort und letztlich die Bevölkerung als Ganzes.

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Carmen Walker Späh: digitalswitzerland hat es sich zum Ziel gesetzt, die Position der Schweiz als führenden Innovationshub zu stärken. Welche Faktoren machen für Sie ein innovationsfreundliches Klima aus und wie können Sie konkret dazu beitragen?

Nicolas Bürer: Erstens, sind die attraktiven politischen Rahmenbedingungen in Bezug auf Ansiedlungsmöglichkeiten und steuerliche Bedingungen für ausländische Talente von zentraler Bedeutung. Zweitens, sind Investitionen in unser Bildungssystem und die Forschung zu erwähnen, denn sie legen das Fundament für die Innovation der nächsten Jahre. Drittens ist das Schmieden kollaborativer und industrieübergreifender Allianzen in der digitalen Transformation unabdingbar, um weiterhin zu bestehen oder (noch) erfolgreicher zu werden. Viertens sollte das Startup-Ökosystem weiterhin wachsen; die Schweiz belegt europaweit den 5. Platz, allerdings noch klar hinter den Top 4, mit den USA und China an der Spitze. Fünftens darf die Bevölkerung nicht im Stich gelassen werden, sondern muss über die Chancen und Risiken der Digitalisierung transparent informiert werden. Zu guter Letzt müssen wir die Schweiz im Ausland für unsere Innovation weiterhin stark positionieren und vermarkten, damit Firmen, Investoren und Talente die Schweiz priorisieren. Mit unseren digitalswitzerland Initiativen wollen wir genau diese sechs Punkte aufgreifen und mittragen. Dies gelingt uns in Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren und Partnern. Es braucht einen langen Atem, da man die Innovationskraft nicht von heute auf morgen verbessern kann. Allerdings sehen wir derzeit eine sehr gute Dynamik in der Schweiz; in Zürich sowieso, und sind zuversichtlich, dass sich die Situation in den kommenden Jahren noch weiter steigern wird.

Carmen Walker Späh: Auch in Bezug auf die Innovation befinden sich die Kantone, aber auch die einzelnen Unternehmen, in einem harten Wettbewerb. Wie kann dennoch ein «Wir-Gefühl» als Innovationsstandort Schweiz entstehen?

Nicolas Bürer: Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der Schweiz ist definitiv der interne Wettbewerb, sei es zwischen den Kantonen, Unternehmen oder akademischen Institutionen. Das ist unsere Stärke, auf die auch viele andere Länder neidisch blicken. Trotz alledem müssen gewisse Initiativen, wie beispielsweise das Projekt «SwissTech», schweizweit geführt werden. Es braucht solche Ankerprojekte, die alle Stakeholder an einen Tisch bringen. Ähnlich verhält es sich mit dem Digitaltag, der dieses Jahr in zehn Kantonen am gleichen Tag stattgefunden hat. Auch das Beispiel der Innovationsparks, die schweizweit etabliert sind, ist sehr vielversprechend. Schlussendlich werden wir das «Wir-Gefühl» der Schweiz weiter stärken, wenn sich alle Regionen individuell erfolgreich entwickeln und sich diesen Erfolg auch gegenseitig gönnen.