Gemäss der WEF-Studie „The Future of Jobs“ aus dem Jahre 2018 ist in den nächsten Jahren ein Jobwachstum zu erwarten, das Qualität, Standorte, Formate und Dauer neuer Stellen deutlich verändern wird. Arbeitsplätze werden sich flexibel und global verschieben und je nach Technologieakzeptanz und Anpassungsfähigkeit der Beteiligten, werden mannigfaltige Auswirkungen auf die einzelnen Branchen zu spüren sein.

Auch Frauen in der Schweiz werden von dieser Entwicklung voraussichtlich in grossem Masse betroffen sein, da sie überproportional in den typischen KV-Berufen tätig sind, die durch die Digitalisierung stark unter Druck geraten. In den Berufen, die mit der Digitalisierung an Bedeutung gewinnen, sind die MINT-Disziplinen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) besonders gefragt und eben da fehlt immer noch ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis.

Die Begeisterung für Informatik muss in der Schule beginnen. Aber wird der obligatorische Informatikunterricht das Problem lösen? In den nächsten Jahren wohl kaum. Bei den meisten Informatikberufen sind ausserdem deutliche Anzeichen für einen ungedeckten Fachkräftebedarf vorhanden. Hohe Qualifikationsanforderungen erschweren die Suche nach entsprechend qualifiziertem Personal zusätzlich.

Quereinstieg – aber richtig!

Lifelong Learning ist das Gebot der Stunde in unserer digitalisierten Welt. Wie wäre es nun, wenn eine speziell für Frauen entwickelte nationale Umschulungs- und Weiterbildungsinitiative gestartet werden würde, um eine Parität der Geschlechter in der Informatik voranzutreiben?

Ideal wäre es natürlich, wenn während solcher Weiterbildungen nicht auf ein Einkommen verzichtet werden müsste. Unternehmen sollten Quereinsteigerinnen die notwendigen Schulungen intern oder extern ermöglichen: durch finanzielle Unterstützung, zeitliche Entlastungen und flexible Arbeitsmodelle.

Es gilt auch zu betonen, dass die Entscheidung für einen Quereinstieg nicht nur von den Job- und Karriereaussichten getrieben sein sollte. Wie immer in der Berufswahl, sollte man auch seine Eignung und die Begeisterungsfähigkeit für eine neue Tätigkeit überprüfen. Wichtig ist, sich bewusst zu sein, welche Stärken bereits im alten Beruf zur Geltung kamen und auch im neuen Job von Nutzen sein können.

Die Schweiz als Vorbild

Es ist absolut notwendig, dass Schlüsseltechnologien wie auch innovative Produktentwicklungen von einer diversen Belegschaft konzipiert werden. Eine einseitige Perspektive stellt ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Risiko dar und die Schweiz muss hier als ein führendes Innovationsland eine Vorbildrolle einnehmen.

Damit Technologie wirklich zukunftsweisend sein kann, darf sie niemanden ausschliessen. Auch Ginni Rometty, CEO und Präsidentin von IBM, hat sich dementsprechend geäussert: „Damit Technologie wirklich ethisch und unvoreingenommen ist, müssen alle die gleichen Chancen haben, sich an ihrer Entwicklung zu beteiligen.“

Und jetzt?

Der rasche Technologiewandel, die Wichtigkeit der Anwendersicht und der Fachkräftemangel sind an sich eine sehr gute Ausgangslage. Die ursprüngliche Ausbildung und der Abschluss sind wichtig, aber je länger man im Berufsleben steht, umso weniger entscheidend. Entscheidend sind neue Kenntnisse und Erfahrungen, woher auch immer sie kommen. Weiterbildung – eben Lifelong Learning – wird gefordert und gefördert. In zahlreichen Studien wird immer wieder festgestellt, dass sich Frauen eher unterschätzen, für technische Berufe geeignet zu sein. Aber die Informatik braucht dringend eine weiblichere Perspektive!

Damit das gelingt, muss ein Strukturwandel stattfinden. Es braucht nicht nur mehr (weibliche) Vorbilder, sondern vor allem ein Umdenken: in den Unternehmen, in den Ausbildungsinstitutionen, in der Berufsberatung, aber auch in der Familie und in der Bildungspolitik!

Von Dr. Alain Gut, Director Public Affairs, IBM Schweiz AG und Präsident der Kommission Bildung von ICTswitzerland