Die Sommersession 2021 wurde stark durch Ereignisse ausserhalb des Parlaments geprägt: Insbesondere der Entscheid des Bundesrats, die Verhandlungen mit der EU zum Institutionellen Abkommen InstA abzubrechen, die Ankündigung der G7-Staaten für eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent und die Ablehnung des CO2-Gesetzes an der Urne sorgten für Gesprächsstoff auf dem politischen Parkett. Aus Sicht von digitalswitzerland war es eine vollgepackte Sommersession: Es wurden nicht weniger als 50 Geschäfte zur Digitalpolitik behandelt und über 30 neue Vorstösse eingereicht.
Mit der Verabschiedung des «Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich» im National- und Ständerat wird E-Government in der Schweiz einen Schritt vorangebracht. Dank dem Einsatz des Nationalrats werden künftig alle Kantone verpflichtet, elektronische Lösungen für die Steuern anzubieten. Wann genau es so weit sein wird, entscheidet der Bundesrat.
Eine erste Hürde nahm die E-Government-Motion «Vollständig digitale Unternehmensgründung sicherstellen» von Andri Silberschmidt (FDP/ZH). Er fordert vom Bundesrat mehr Einsatz, dass die Unternehmensgründung endlich rein digital und somit medienbruchfrei möglich wird. Hierfür soll der Bundesrat Elemente wie die Verbreitung der qualifizierten elektronischen Signatur, die Einführung einer digitalen öffentlichen Urkunde (EÖBG) wie auch die Aktivierung des Schweizerischen Registers der Urkundspersonen (UPReg) unterstützen. Nach der Zustimmung im Nationalrat ist nun der Ständerat am Zug.
Im Nationalrat
Der Nationalrat hat sich erneut mit der Botschaft über den «Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele» beschäftigt, in welchem Plattformdienste für Filme, Videos und Videospiele verpflichtet werden, ein System zur Altersüberprüfung einzurichten, elterliche Kontrollen zu ermöglichen und eine Meldestelle anzubieten. In der Detailberatung wurde leider verpasst, die Schweizer Regulierung an die europäische audiovisuelle Mediendienstrichtlinie (AVMD) anzupassen, wie es in einem gemeinsamen Schreiben von asut, digitalswitzerland und weiteren Playern aus der Digitalwirtschaft gefordert worden war. Damit droht ein aufwändiger «Swiss Finish». Das Geschäft geht nun in den Ständerat.
Weiter sprach sich der Nationalrat für zwei Geschäfte zum Ausbau der digitalen Infrastruktur aus: Als Erstrat sagte er ja zur Motion «Mobilfunknetz. Die Rahmenbedingungen für einen raschen Aufbau jetzt schaffen» der FDP-Liberale Fraktion. Das Postulat «Hochbreitbandstrategie des Bundes» seiner Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen nahm er ebenfalls an und überwies es damit zur Erledigung an den Bundesrat.
Die sechs gleichlautenden E-ID-Motionen mit dem Titel «Vertrauenswürdige, staatliche E-ID» hätten dank der Zustimmung des Bundesrats am letzten Tag der Session im Nationalrat im Schnellverfahren durchgewunken werden sollen. Die Bekämpfung der Vorstösse durch Jean-Luc Addor (SVP/VS) verhinderte dies. Die Beratung wird nun erst in der nächsten Session stattfinden.
Im Ständerat
Der Ständerat hat sich als Zweitrat im Rahmen der Kulturbotschaft 2021-2024 mit der Revision des Filmgesetzes auseinandergesetzt; auch bekannt als «Lex Netflix». Hierbei ging er weiter als der Nationalrat: Er forderte, wie der Bundesrat, dass Streaming-Dienste 4 Prozent ihrer Einnahmen in der Schweiz in das Schweizer Filmschaffen investieren müssen. Der Nationalrat hatte 1 Prozent beschlossen. Zudem sprach sich der Ständerat gegen Ausnahmeregelungen für sprachregionale TV-Anbieter und Unternehmen, die Kommunikationsnetze betreiben, aus. Die 30 Prozent Quote für den europäischen Film war wie im Nationalrat unbestritten. Das Geschäft geht zur Differenzbereinigung zurück in den Nationalrat.
Wie erwartet, hat der Ständerat die Frist für die Beratung der parlamentarischen Initiative von Konrad Graber (Mitte/LU) «Teilflexibilisierung des Arbeitsgesetzes und Erhalt bewährter Arbeitszeitmodelle» erneut verlängert. Der Rat will zuerst die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz (ArGV 2) abwarten. Damit will das Seco die Anliegen von Graber auf dem Verordungsweg umsetzen. Der Vorschlag des Seco ist jedoch absolut inakzeptabel: Die gesamte ICT-Branche wurde ausgeklammert; nach dem Seco sollen nur Betriebe aus der Rechts-, Steuer-, Unternehmens-, Management- oder Kommunikationsberatung von der Flexibilisierung profitieren können (siehe laufende Vernehmlassung ArGV 2).
Weiter wurden, ebenfalls wie erwartet, die beiden parlamentarischen Initiativen «Daten sind das höchste Gut privater Unternehmen. Datenherausgabe beim Konkurs von Providern regeln» von Marcel Dobler (FDP/SG) und «Steuerliche Belastung aufgrund von Mitarbeiterbeteiligungen bei Start-ups und Familienunternehmen deutlich reduzieren» von Ruedi Noser (FDP/ZH) im Rat abgeschrieben, da die Anliegen in der Zwischenzeit bereits auf anderem Wege umgesetzt wurden.
Bei den neu eingereichten Vorstössen fällt die Motion «Auftrag für die Mitwirkung an der Europäischen Regulierung der Digitalisierung» von Judith Bellaiche (glp/ZH) auf. Sie verlangt vom Bundesrat die Erarbeitung einer Position zur europäischen Regulierung der Digitalisierung und die Vertretung der Interessen der Schweiz. Insbesondere bei aktuellen Grossprojekten wie dem Digital Markets Act (DMA) und Digital Services Act (DSA). Weiter fällt die Motion «Arbeitsgesetz gilt auch für Anbieter der Plattform-Ökonomie» von Mattea Meyer (SP/ZH) auf. Sie verlangt, dass die kantonalen Arbeitsämter die Einhaltung des Arbeitsrechts bei Anbietern der Plattform-Ökonomie kontrollieren und durchsetzen.
Und schliesslich machen sich der InstA-Abbruch und die globale 15-Prozent-Mindeststeuer auch bei den neu eingereichten Vorstössen bemerkbar – es wurden von verschiedenen Parteien Fragen und Vorstösse eingereicht.
Alle weiteren neuen Vorstösse und Informationen zur Session finden Sie auf der Monitoring-Plattform politoscope.ch. Diese wird exklusiv unseren Mitgliedern zur Verfügung gestellt.
Bei Fragen und für Auskünfte kontaktieren Sie uns unter politics@digitalswitzerland.com.
Andreas W. Kaelin, Deputy Managing Director, Geschäftsstelle Bern