Die Sommersession 2022 stand im Zeichen der Krisenbewältigung. Das Parlament beschäftigte sich mit den steigenden Energiepreisen, der Ukraine, den finanziellen Folgen der Corona-Pandemie und den Auswirkungen des Klimawandels. Aus digitalpolitischer Sicht machte das Parlament beim E-Government vorwärts.
Der Ständerat winkte das «Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben» ohne Gegenstimme durch. Dabei folgte er seiner vorberatenden Kommission, welche die Vorlage angesichts der Dringlichkeit der Digitalisierung um zwei wichtige Punkte ergänzte: Neu soll die Übergangsfrist für die Umsetzung nur drei statt fünf Jahre betragen. Weiter soll eine gesetzliche Grundlage zur finanziellen Unterstützung von Digitalprojekten von öffentlichem Interesse geschaffen werden (Art. 16a). Damit werden die gleichlautenden Motionen «Digitale Leuchtturmprojekte mit öffentlichem Interesse anschieben» von Ständerat Benedikt Würth (M-E) und Nationalrat Lars Guggisberg (SVP) in die Vorlage aufgenommen.
Diese Anliegen werden von digitalswitzerland und weiteren Digitalverbänden seit längerem unterstützt (siehe Schreiben Motion Würth und Kürzung der Übergangsfrist im EMBAG). Entsprechend begrüsst digitalswitzerland die deutliche Zustimmung des Ständerats. Es ist ein wichtiges Signal aus der kleinen Kammer an die Behörden, bei der Digitalisierung stärker vorwärtszumachen.
Ergänzend zum Entscheid der kleinen Kammer nahm der Nationalrat die Motion «Nutzenorientierte Digitalisierungsoffensive der Schweizer Verwaltung» von Marcel Dobler (FDP) an. Dobler fordert, dass Behördendienste im Vollzug von Bundesrecht künftig grundsätzlich digital angeboten werden.
Vorwärts gehen soll es auch bei der elektronischen Identität. So wurden die sechs gleichlautenden Motionen «Vertrauenswürdige staatlich E-ID» vom Ständerat verabschiedet. Der Bundesrat hat das Anliegen indes bereits aufgenommen und will seine neue E-ID-Vorlage noch im Sommer in die Vernehmlassung schicken.
Das Parlament zeigte sich auch im Gesundheitsbereich digitalfreundlich. Die E-Health-Motionen «Elektronische Rezepte für Heilmittel. Bessere Qualität und höhere Patientensicherheit» von Damian Müller (FDP) und «Einführung eines E-Rezepts» von Regine Sauter (FDP) wurden beide vom Erstrat angenommen. Die Motion «Elektronisches Patientendossier. Kompetenzen der Patientinnen und Patienten fördern» von Baptiste Hurni (SP), die eine Informationskampagne forderte, scheiterte hingegen im Nationalrat.
Schlankere Regulierung beim Jugendschutz in Film und Videospielen
Ohne Gegenstimme hat sich der Ständerat beim Bundesgesetz über den «Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele» für die schlankere Variante seiner Kommission ausgesprochen. Der ständerätliche Vorschlag lässt der betroffenen Branche der Streaming-, Abruf- und Plattform-Dienste mehr Spielraum, wie sie sich für die Umsetzung der Jugendschutz-Massnahmen organisieren wollen. Der Staat soll die Branche nicht zur Bildung zweier neuer Jugendschutzorganisationen zwingen; vielmehr könnten auch bestehende Organisationen die Aufgaben erfüllen. Weiter vereinheitlichte der Ständerat die Zielformulierung für Abrufdienste und Plattformen und verzichtete auf das Verbot von In-App-Käufen (Mikrotransaktionen) sowie auf Massnahmen zur Förderung der Medienkompetenz. Die beiden letzten Punkte seinen andernorts zu regeln. Die Vorlage geht nun zur Differenzbereinigung zurück in den Nationalrat.
«Lex-Booking» – Parlament verbietet Preisbindungsklauseln
Auch der Ständerat hat die verschärfte Form des «Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Änderung» angenommen. Damit werden künftig in Verträgen zwischen Online-Buchungsplattformen und Beherbergungsbetrieben neben Preisparitätsklauseln auch Angebots- und Konditionenparitätsklauseln verboten. Die Vorlage wurde in der Schlussabstimmung von beiden Räten deutlich verabschiedet.
Mehr Mittel für die Cyber-Abwehr im Armee-Budget
Der Ständerat beschloss mit der «Armeebotschaft 2022» eines der grössten Militärprogramme der letzten Jahre. Dabei sollen von insgesamt 9.3 Milliarden Franken rund 10 Millionen in den Cyber-Bereich fliessen. Weiter wurde der «Sicherheitspolitische Bericht 2021» vom Ständerat zur Kenntnis genommen. Die Diskussion drehte sich insbesondere um die Bedrohung durch hybride Kriegsführung mit Cyberangriffen und Desinformationskampagnen.
Cyber-Security im Nationalrat
Der Nationalrat nahm das Postulat von Edith Graf-Litscher (SP) «Massnahmen für einen besseren Schutz gegen Ransomware-Angriffe» knapp an. Damit wird der Bundesrat unter anderem beauftragt, eine Meldepflicht bei Lösegeldzahlungen von Unternehmen an Cyber-Kriminelle zu prüfen sowie der obligatorische Beizug von Behörden in die Verhandlungen mit den Kriminellen. Ebenfalls angenommen wurde die Motion «Nationale Strategie zur Bekämpfung der Cyber-Pädokriminalität» von Yvonne Feri (SP). Abgelehnt wurde hingegen die Motion «Fachwissen anzapfen für die Armee der Zukunft!» der FDP-Liberalen Fraktion.
Keine Zeit für das Nationale Testinstitut für Cybersicherheit
Aus zeitlichen Gründen konnte die Motion von Franz Grüter (SVP) «Beteiligung des Bundes beim Aufbau und Betrieb des Nationalen Testinstituts für Cybersicherheit» nicht in der Sommersession vom Nationalrat behandelt werden. digitalswitzerland setzt sich für eine Zustimmung zur Motion ein (siehe Schreiben).
Bei den neu eröffneten Geschäften gehören die Themen E-Government, Cybersecurity und modernes Arbeiten erneut zu den Spitzenreitern:
- Philippe Nantermod (FDP): Motion Für digitale Identitätsdokumente
- Erich Ettlin (M-E): Motion Masterplan zur digitalen Transformation im Gesundheitswesen, Nutzung von gesetzlichen Standards und bestehenden Daten
- Marcel Dobler (FDP): Motion Die Schweiz braucht ein übergeordnetes Cyber Test-Konzept
- Gerhard Andrey (GPS): Interpellation Aufgabenteilung zwischen einem Bundesamt für zivile Cybersicherheit und militärischer Cyberabwehr
- FDP-Fraktion: Motion Neuer Status für Selbständige in Plattform-Beschäftigung – soziale Absicherung sicherstellen
- Christian Dandrès (SP): Interpellationen Uber-Fahrer sind Arbeitnehmer und müssen geschützt und bezahlt werden (1); Uber-Fahrer sind Arbeitnehmer und müssen geschützt und bezahlt werden (2)
Daneben fallen die Motionen von Marionna Schlatter (GPS) «Ablösung von Polycom durch ein mobiles Sicherheitsnetz (MSK) – wer übernimmt die Führung?» und von Balthasar Glättli (GPS) «Einführung des Right to Use» auf.
Insgesamt wurden über 20 interessante neue Vorstösse eingereicht (siehe auf politoscope.ch die hellblaue Kategorie «new business» unten links).
Den vollständigen Rückblick auf die Session mit allen Geschäften finden Sie auf der Monitoring-Plattform politoscope.ch. Diese wird exklusiv unseren Mitgliedern zur Verfügung gestellt.
Bei Fragen und für Auskünfte kontaktieren Sie uns unter politics@digitalswitzerland.com.