Während der kurzen Sondersession vom 9. bis 11. Mai 2022 behandelte der Nationalrat über 20 Geschäfte mit Relevanz für die ICT-Wirtschaft und die Digitalisierung der Schweiz.
Beschlüsse im Nationalrat
Nationalrat spricht sich für mehr Netzsperren aus
Der Nationalrat hat sich als Erstrat für die Motion «Unter-16-Jährige wirksam vor pornografischen Inhalten auf dem Internet schützen. #banporn4kids#» von Niklaus-Samuel Gugger (EVP) ausgesprochen. Dies entgegen der Ablehnung des Bundesrats, welcher Netzsperren aufgrund der leichten Umgänglichkeit nicht für ein geeignetes Mittel hält und in seiner Antwort zudem darauf hinweist, dass man sich bereits heute strafbar macht, wenn man den Zugang für unter 16-Jährige nicht verhindert. Von Seiten der ICT-Provider wird die massive Ausdehnung von Netzsperren ebenfalls abgelehnt; allein schon aufgrund des drohenden Overblockings. Das Geschäft geht nun in den Ständerat.
Der Nationalrat will bei E-Health vorwärts machen
Als Erstrat hat der Nationalrat die Motionen seiner Kommission für Sicherheit und Gesundheit (SGK) «Elektronisches Patientendossier. Praxistauglich gestalten und finanziell sichern» und «Implementierung einer nachhaltigen Data-Literacy-Strategie in der digitalen Transformation des Gesundheitswesens» angenommen. Mit der Forderung zum Voranbringen des elektronischen Patientendossiers rennt das Parlament beim Bundesrat offene Türen ein. Dieser hat bereits Ende April kommuniziert, dass er das elektronische Patientendossier weiterentwickeln und hierfür auch das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) revidieren will (siehe Mitteilung vom 27. April).
Cybersecurity – Subsidiaritätsbegriff im VBS muss neu geprüft werden
Der Nationalrat teilt die Einschätzung seiner Kommission für Sicherheit (SIK), dass die Subsidiaritätsbegriff im VBS neu geprüft werden muss – insbesondere in der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsdienstleistungen im Cyberbereich. So wurde das Postulat «VBS. Subsidiarität und Cybersicherheit», welches auch vom Bundesrat unterstütz wird, einstimmig angenommen. Die Debatte zum Postulat «Massnahmen für einen besseren Schutz gegen Ransomware-Angriffe» von Edith Graf-Litscher (SP) wurde erneut verschoben.
Modernisierung der Arbeitswelt
Die Debatte um die Modernisierung des Arbeitsrechts gestaltet sich weiterhin harzig: Im Vorfeld der Session hatte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats die Debatte zur parlamentarische Initiative Graber (16.414) beschlossen, erneut zuzuwarten und im Herbst eine weitere Anhörung der Sozialpartner durchzuführen. Während der Session wurde die Motion «Flexible Arbeitsbedingungen temporär ermöglichen» von Fabio Regazzi (M-E) zurückgezogen und das Postulat «Telearbeit. Chancen und Schutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer» von Mathias Reynard (SP) abgelehnt. Das ebenfalls traktandierte Postulat «Mitbestimmung und Mitarbeitendenrechte bei der Digitalisierung der Arbeitswelt» von Barbara Gysi (SP) wurde nicht behandelt.
Weitere Geschäfte (Auswahl)
Der Nationalrat lehnte die Motion «Mobilfunkanlagen mit 5G-Technologie. Konsequenzen der Millimeterwellen auf die Natur und den Menschen» von Ursula Schneider Schüttel (SP) mit 107 zu 67 Stimmen deutlich ab. Das Geschäft ist damit erledigt.
Hingegen sprach sich der Rat deutlich für eine Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes aus. Dieses sieht unter anderem vor, das grosse Versandhandelsplattformen neu basierend auf ihrem Gesamtumsatzes Mehrwertsteuerpflichtig sind. Kommen sie der Steuerpflicht nicht nach, kann der Bund künftig Sendungen von in- und ausländischen Versandhandelsunternehmen und Online-Versandhandelsplattformen vernichten lassen. IT-Dienstleistungen sollen hingegen nicht in die obligatorische Plattformbesteuerung einbezogen werden, wie eine starke Kommissionsminderheit im Vorfeld gefordert hatte.
Neue politische Geschäfte (Auswahl)
In den vergangenen Tag und Wochen wurden über 20 neue relevante politische Geschäfte eröffnet. Unter anderem das Postulat Abschaltung von betrügerischen Websites – Nationale Koordination bei Internetbetrug von Stefan Müller-Altermatt (M-E), die Anfrage Horizon Europe : le budget alloué par le parlement doit aller à la recherche et à l’innovation von Fabien Fivaz (GP) sowie die Interpellation Chatkontrolle von Judith Bellaiche (glp). Letztere steht im Kontext mit den Plänen der EU-Kommission zur Einführung einer systematischen Kontrolle von Chatinhalte (sieh Artikel auf watson.ch).
Den vollständigen Rückblick auf die Session finden Sie auf der Monitoring-Plattform politoscope.ch. Diese wird exklusiv unseren Mitgliedern zur Verfügung gestellt.
Bei Fragen und für Auskünfte kontaktieren Sie uns unter politics@digitalswitzerland.com.
Freundliche Grüsse, Andreas W. Kaelin, Geschäftsstelle Bern