In der Frühjahrssession werden 18 Geschäfte behandelt, die für digitalswitzerland bedeutsam sind. Zwei der Trendthemen sind kritische Infrastrukturen und Cyberkriminalität – zu beiden Themenblöcken sind mehrere Vorstösse eingereicht worden.
Unverändert an oberster Stelle auf der Prioritätenliste von digitalswitzerland steht das Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG), welches dank seinem Leuchtturmprojekt-Ansatz (Art. 16a) für digitalswitzerland und seine Mitglieder grosses Potential für Impact-getriebene Projekte birgt. Es wird voraussichtlich in der Frühlingssession in beiden Räten behandelt. Dabei werden (hoffentlich) die letzten Differenzen bereinigt, so dass die Vernehmlassung der Verordnung zum EMBAG wie geplant im April starten kann.
Geschäfte im Ständerat
Die Motion „Mehr Sicherheit bei den wichtigsten digitalen Daten der Schweiz“ verlangt Kriterien zur Bestimmung besonders schützenswerten Daten, allerdings nur für die Infrastruktur des Bundes. Ein wichtiges Anliegen, da die Gestaltung der Speicherinfrastruktur für diese Daten durch Schweizer Unternehmen umgesetzt werden soll. Die Motion lässt Kriterien für schützenswerte Daten der Privatwirtschaft aus und kann so potentiell zu Unsicherheiten führen. Der Bundesrat empfiehlt die Annahme der Motion, daher sollte diesem Geschäft hohe Aufmerksamkeit zukommen.
Mit der Motion „Strategie der Schweiz zu Sicherheit und Verteidigung“ kann erwartet werden, dass die Cybersicherheit weiter an Prominenz in der schweizerischen Sicherheitspolitik gewinnen wird. Sie wird zur Annahme empfohlen und sollte daher von digitalswitzerland begrüsst werden.
Im Themenbereich „Kritische Infrastruktur“ soll auch der Motion „Zeitgemässe Rechtsgrundlagen für den Schutz kritischer Infrastrukturen“ Beachtung geschenkt werden. Sie fordert eine Überarbeitung der Rechtsgrundlagen für die Zusammenarbeit innerhalb der Bundesverwaltung, zwischen Kantonen und der Zusammenarbeit mit privaten Eigentümern kritischer Infrastrukturen.
Nimmt man die Diskussionen um die Strommangellage und die damit zusammenhängenden Verordnung als weiteren Gradmesser, so ist festzustellen, dass die Frage, wie kritisch und schützenswert die IKT-Infrastruktur ist, aus Sicht digitalswitzerland, noch nicht zufriedenstellend beantwortet ist. Wir setzen uns dafür ein, dass Bern sich der Relevanz der Frage bewusst wird.
Ein weiterer wichtiger Vorstoss ist die Motion „Digitale Buchführung erleichtern“, welche, ähnlich zur Motion Silberschmidt, administrative Hürden bei der Unternehmensführung für KMU abbauen will und daher begrüssenswert ist.
Bei der Interpellation „Evaluation des Geldspielgesetzes. Ist die Sperrung von nicht bewilligten Online-Angeboten genügend wirksam?“ ist die Aufmerksamkeit darauf zu richten, ob die kontrovers diskutierten Netzsperren als regulatorisches Instrument hier wirksam gewesen sind oder nicht (vgl. „Echo der Zeit“ vom 23 Februar 2023). Schlüsse daraus beeinflussen die Diskussion über andere Vorlagen (siehe Vorlagen zur Bekämpfung von Pädokriminalität im Netz).
Das Elektronische Patientendossier erhält dank Interpellation „Booster für das elektronische Patientendossier“ wichtige Klärungen. Da digitalswitzerland das Thema Digital Health zur strategischen Priorität erklärt hat und eine Vernehmlassungsantwort zur umfassenden Revision des EPDG geplant ist, ist dieses Geschäft zu begrüßen.
Das Postulat „Strategie Digitale Souveränität der Schweiz“ soll den Bundesrat beauftragen, Bericht zu erstatten, wie er „Digitale Souveränität“ für die Schweiz definiert. Dies wirft wichtige Ordnungspolitische Fragen auf und wird die bereits laufenden Bestrebungen des Bundes zusammenbringen. Des Weiteren soll die Schweiz laut Postulat und anderen Vorlagen (siehe Motion Glanzmann-Hunkeler weiter unten) ausländische Abhängigkeiten (gerade in den hoch sensiblen Bereichen wie z. B. der Landesverteidigung oder des Finanz- und Versicherungswesen) verringern. Verlangt werden koordinierte Sofortmassnahmen, welche über die bisherigen Anstrengungen (z.B. Digitaltage, Startup-Förderungen und punktuelle Investitionen) hinausgehen. Die Schweiz soll sich überdies auch international an europäischen Lösungen zur Verbesserung der digitalen Souveränität beteiligen.
A propos: Im Thema Digitale (Selbst)Souveränität hat sich digitalswitzerland seit mehreren Jahren bereits erfolgreich als Thought Leader positioniert (z.B. mit dem E-ID-Whitepaper).
Neben der kritischen Infrastruktur ist im Bereich Cybersicherheit auch die Bekämpfung von Cyberkriminalität, besonders der Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch, ein Thema dieser Session. Drei Vorlagen, die Motionen Bulliard-Marbach, Feri und die parl. Initiative Regazzi, wurden eingegeben, allerdings wieder aus dem Sessionsprogramm entfernt. Das Thema Kinderschutz im Netz bleibt im öffentlichen Diskurs aber präsent und wird überparteilich getragen. Gleichzeitig sind bei Fragen der Online-Überwachung und Instrumenten wie Netzsperren wichtige technische und politische Debatten zu führen.
Geschäfte im Nationalrat
Im Nationalrat wird die Standesinitiative „Internetgiganten sind zu besteuern“ behandelt. Verlangt wird, dass die Schweiz sich den EU-Ländern anschliessen soll, welche bestrebt sind, den Umsatz der Internetgiganten (GAFAM-BATX) zu besteuern. Mit den Einnahmen soll u. a. ein Fonds geschaffen werden, um die Entwicklung von Nahversorgungsprojekten und die lokale Wirtschaft zu fördern (Aufwertung der regionalen Produkte, Unterstützung des lokalen Konsums usw.). Der Ständerat hat im März 2022 der Initiative keine Folge gegeben, genau wie die Kommission des Nationalrates für Wirtschaft und Abgaben im November 2022. Aus diesem Grund und wegen den andauernden Diskussionen um die Verteilung zwischen Kantonen und Bund der Mehreinnahmen wegen der anfallenden OECD-Besteuerung gehen wir davon aus, dass der Nationalrat der Initiative keine Folgen geben wird.
Die Motion Bischof fordert ein Instrument zur transparenteren Berechnung der Kosten für den Treibstoffverbrauch. Ein solches Instrument ist zu begrüssen, da es dem Open-Data-Ansatz nachkommt, welcher Wettbewerbs- und innovationsfördernd ist.
Das Notariatsdigitalsierungsgesetz ist grundsätzlich begrüßenswert, da es dem Abbau bürokratischer Hürden mithilfe von digitalen Instrumenten dienlich ist. Bei der Einrichtung von Zentralregistern ist jedoch Vorsicht geboten, da diese einem erhöhten Risiko von Cyberangriffen ausgesetzt sind.
Das neue Informationssicherheitsgesetz ist hochrelevant und birgt neben vielen guten Komponenten (z.B. bessere Resilienz durch Informationsaustausch zu Cyberangriffen) auch Risiken, besonders, wenn es um die Angedrohten Sanktionen beim Verstreichen der Meldefrist geht. Digitalswitzerland hat bereits eine Vernehmlassungsantwort verfasst und koordiniert sich mit dem Cyber Security Committee über das weitere Vorgehen. Dem Geschäft ist mit Wohlwollen zu begegnen, eine weiterführende Diskussion ist aber notwendig. Korrekturen, die den Unternehmen mehr Spielraum geben, sind erstrebenswert.
Die Motion Glanzmann-Hunkeler fordert einen „Inländervorrang“ bei der Beschaffung von Cyber-Lösungen. Falls ein solcher Vorrang gemäss Änderungsantrag des Ständerats – mit dem Wortlaut „unter der Berücksichtigung geltender Bestimmungen“ – ausgelegt werden soll, ist die Wirkung der Motion äusserst gering. Würde der Nationalrat nicht auf die Änderung eingehen und am ursprünglichen Wortlaut festhalten, könnte ein derartiger Inländervorrang den Wettbewerb um die beste Lösung behindern und folglich den Sicherheitsbedürfnissen von Schweizer Unternehmen und des Bundes zuwiderlaufen.
Das neue Ausländer- und Integrationsgesetz ist ein Instrument zur Behebung des Fachkräftemangels. Das Gesetz setzt die Motion Dobler „WWenn die Schweiz teure Spezialisten ausbildet, sollen sie auch hier arbeiten können“ um. digitalswitzerland hat vor einem Jahr bereits Stellung zu diesem Geschäft bezogen und fordert eine rasche Umsetzung auf Verordnungsstufe.
Die parlamentarische Initiative „Mehr Gestaltungsfreiheit bei Arbeit im Homeoffice“ verlangt, dass für Arbeitnehmer:innen, die ihre Arbeitszeiten zu einem namhaften Teil selber festsetzen können, sich der Zeitraum, in welchem gearbeitet werden darf, neu auf 17 Stunden erstreckt. Auch soll im Gesetz festgehalten werden, dass gelegentliche Arbeitsleistungen von kurzer Dauer die Ruhezeit nicht unterbrechen. Keine Bewilligung soll für Sonntagsarbeit erforderlich sein für Arbeitnehmer:innen, die ihre Arbeitszeiten zu einem namhaften Teil selbst festsetzen und an ihrem Wohnort erbracht werden können. Die Initiative ist als arbeitsrechtliches Instrument zur Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt zu begrüssen.
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