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Seit 2010 lässt die ICT-Berufsbildung Schweiz den Fachkräftebedarf in der mittleren bis langen Frist abschätzen. Diese Prognosen sind für Laien teilweise schwer glaubhaft, da von einem Bruttobedarf im Bereich von 120’000 Personen ausgegangen wird und unter Berücksichtigung der Neuabsolventen und Neuabsolventinnen sowie Zuwanderung in den nächsten neun Jahren noch ein Nettobedarf im Bereich von 30’000 bis 40’000 ICT-Fachkräften bleibt.
Wertschöpfungsverlust als direkte Opportunitätskosten des ICT-Fachkräftemangels
Viele der Anpassungsmassnahmen der Schweizer Unternehmen (höhere Löhne, mehr Weiterbildung für die Mitarbeitenden, Reduktion der Anforderungen an Bewerbende etc.) haben für die Firmen zwar eine Kostenfolge, sind volkswirtschaftlich aber wenig problematisch und gehören zum normalen Lauf der Wirtschaft. Wenn jedoch Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden oder Aufträge abgelehnt werden müssen, dann handelt es sich um eine Wertschöpfung, welche eigentlich in diesem Land hätte erbracht werden können. Und da die ICT-Branche im Vergleich zu anderen Sektoren sehr hohe Löhne zahlt, Arbeitsplätze auf allen Bildungsstufen anbietet und wahrscheinlich zu den zukunftssichersten Berufen zählt, wiegt der Wertschöpfungsverlust schwer.
Basierend auf der neuesten Fachkräftestudie der ICT-Berufsbildung Schweiz ist bis zum Jahr 2030 von einem kumulierten Wertschöpfungsverlust von bis zu 31.1 Mrd. CHF auszugehen. Dies entspricht der Wertschöpfung, welche heute die ganze Versicherungsbranche in einem Jahr erwirtschaftet.
Wachstum der Beschäftigung verschleiert relative Schwäche
Trotzdem wird der ICT-Fachkräftemangel häufig ad acta gelegt. Dies unter anderem deshalb, weil er als Luxusproblem angesehen wird und zum anderen, weil vermutet wird, dass diese Zahlen wahrscheinlich zu hoch gegriffen sind.
Nun konnte in den letzten Jahren mittels Backtesting gezeigt werden, dass diese Prognose in der Vergangenheit stets zu konservativ ausfiel. Das Gefühl des «Luxusproblems» hängt auch damit zusammen, dass das Berufsfeld ICT in den letzten Jahren trotzdem stark wuchs: Übten 2013 noch 4.8 Prozent der Beschäftigten einen ICT-Beruf aus, so stieg dieser Anteil bis 2021 auf 5.5 Prozent. Dabei verbirgt dieses Beschäftigungswachstum den Sachverhalt, dass die Schweiz in Europa an Boden verliert. Die Schweizer Wirtschaft wird zwar digitaler, aber andere Länder überholen die Schweiz: Wies die Schweiz 2013 noch den vierthöchsten Anteil an ICT-Beschäftigten im Rahmen der Gesamtbeschäftigung auf, so ist es 2021 nur noch Platz 9. So waren beispielsweise Irland und die Niederlande 2013 noch fast gleichauf mit der Schweiz (4.7 Prozent ICT-Berufe an allen Berufen) und sind nun mit 6.3 bzw. 6.7 Prozent neu auf Rang 5 bzw. 3.
Fachkräftemangel als Hindernis zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit
Die Schweiz ist in den internationalen Rankings zur Wettbewerbsfähigkeit immer in der Spitzengruppe. Dies gilt auch für Rankings, welche sich auf die digitale Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren, wie das IMD World Digital Competitiveness Ranking. Hier ist die Schweiz vor zwei Jahren um einen Platz auf Rang 6 abgerutscht. Bei der Detailanalyse schneidet die Schweiz beim Pfeiler «Knowledge» zwar weltweit am besten ab, dieser Spitzenrang ist aber primär der hochqualifizierten Zuwanderung von ICT-Fachkräften zu verdanken (die es zu erhalten gilt). In den Umfragen zu den «Digital and Technological skills» rangiert noch Platz 11 hinter Schweden (2) und Dänemark (3), was darauf zurückzuführen ist, dass die befragten Führungskräfte die Verfügbarkeit von ICT-Spezialisten als deutlich schwächer einstufen. Dies, kombiniert mit dem im Vergleich zu anderen Ländern weniger rasch wachsenden Berufsfeld, schwächt die digitale Wettbewerbsfähigkeit über die Zeit deutlich. Auch wenn sich diese Entwicklung in den Rankings insgesamt nicht so rasch abbildet, da die Schweiz mit ihrem Wohlstand in vielen anderen Kategorien solche Rückschläge aufzufangen vermag.
Fachkräfteparadoxon der Wirtschaft
Angesichts der vorliegenden Zahlen stellt sich die Frage, weshalb die Schweizer Unternehmen nicht aktiver gegen den Fachkräftemangel vorgehen. Zum einen gibt es viele Firmen in der Schweiz, welche sich beispielsweise in der beruflichen Grundbildung engagieren, Löhne erhöhen, Weiterbildungsangebote ausbauen etc. Zum anderen macht auch die «Tragik der Allmende» zu schaffen. Damit wird in der Ökonomie das Problem beschrieben, dass es zwar ein soziales Optimum gibt, wovon alle profitieren, dass aber die Abweichung von der benötigten gemeinsamen Strategie profitabler ist. Konkret bedeutet dies: Es wird interessanter, sich aus der Grundbildung (etwas) zurückzuziehen, je mehr sich andere Unternehmen engagieren. Politisch könnte hier ein Berufsbildungsfonds helfen, welcher heute jedoch undenkbar ist, da ICT-Fachkräfte als Querschnittsfunktion in allen Branchen benötigt werden und es rechtlich nicht möglich ist, alle Unternehmen zu verpflichten.
Einleitung
1.1 Hintergrund und Zielsetzung
Die ICT-Berufsbildung Schweiz lässt seit 2010 den Bildungsbedarf in der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) abschätzen1. Der Verband nutzt diese Prognose als strategisches Instrument zur Bestimmung, ob die Ausbildungsanstrengungen des Verbands und der Wirtschaft den künftigen Bedarf zu decken vermögen. Als Konsequenz hat sich der Verband immer ambitioniertere quantitative Ziele gesetzt und konnte zusammen mit der Wirtschaft die Zahl der Lehrstellen stark steigern. Trotzdem veranschaulicht diese Bedarfsprognose auch, dass jeweils ein Bedarf von ungefähr 120’000 Personen vorhanden ist, welche zurzeit keine ICT-Tätigkeit ausüben und in einem Zeitraum bis neun Jahren in das Berufsfeld eintreten. Berücksichtigt man die Zahl der zu erwartenden Neuabsolventen, Neuabsolventinnen sowie Zuwanderer und Zuwanderinnen, so resultiert hieraus ein zusätzlicher Ausbildungsbedarf (Nettobedarf) in der Grössenordnung von 30’000 bis 40’000 ICT-Fachkräften. Fehlende Fachkräfte sind in erster Linie ein Problem für die Arbeitgebenden, während die Arbeitnehmenden von noch besseren Löhnen und mehr Aus- und Weiterbildungsangeboten sowie guten Karrierechancen profitieren. Aus Sicht der ICT-Dachorganisation digitalswitzerland stellen sich aber gesamtwirtschaftliche Fragen:
Outcome: Was kostet es die Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft, wenn keine weiteren Massnahmen ergriffen werden?
Impact: Welchen Einfluss hat die Fachkräfteknappheit auf den Anspruch von digitalswitzerland «making Switzerland a leading digital innovation hub»?
1.2 Methodik und Daten
Die Fachkräftestudie 2022 der ICT-Berufsbildung Schweiz erscheint kurz nach der Publikation dieser Studie. Die ICT-Berufsbildung Schweiz hat erlaubt, dass die Berechnungsgrundlage auch für diese Studie genutzt werden darf. Entsprechend können für die Berechnung des potenziellen Wertschöpfungsverlusts die Verteilung der Fachkräfte auf einzelne Branchen wie auch die Information zum Fachkräftebedarf einfliessen.
Bei der Analyse der Wettbewerbsfähigkeit liegt der Fokus auf den Zahlen von Eurostat zur Beschäftigung von ICT-Beschäftigten in Europa wie auch auf dem IMD-Ranking «World Digital Competitiveness». Zwar gibt es eine Vielzahl von anderen Rankings, aber dieses ist sehr anerkannt, fokussiert auf die Digitalisierung und berücksichtigt die Schweiz als Teil der Analyse.
1.3 Die Informations-und Kommunikationstechnologie (ICT)
Die ICT ist sowohl eine Tätigkeit als auch eine Branche. In beiden Funktionen beeinflusst sie die schweizerische Volkswirtschaft im Rahmen ihrer Querschnittsfunktion. Es ist wichtig, diese zwei Aspekte auseinanderzuhalten:
Branche. Das Bundesamt für Statistik zählt Unternehmen zum ICT-Sektor, welche die Digitalisierung der Wirtschaft vorantreiben. 2 Darunter fallen IT-Dienstleistungsunternehmen zur ICT, zum Beispiel Produzenten von Software oder Anbieter von hardwarebasierten Leistungen (etwa Cloud-Services, Hosting, Rechenzentren, Webportale) bzw. entsprechende Betreuer. Überdies zählen auch Herstellervon Hardware (inklusive deren Reparatur), der Grosshandel und das Verlagswesen im Bereich ICT sowie Firmen im Telekommunikationsbereich dazu.
Fachkräfte / Spezialisten / Berufsfeld / Tätigkeit. In vielen Wirtschaftsbereichen entspricht die Branche auch der mit Abstand wichtigsten Arbeitgeberin von gleichnamigen Fachspezialistinnen und -spezialisten, nicht aber im Fall der ICT. Die ICT-Fachkräfte arbeiten in fast allen Branchen, so in ausgeprägtem Masse im Finanzsektor, in freiberuflichen Tätigkeiten, in der Verwaltung oder in der Industrie. Dabei wird das ganze Spektrum der ICT-Ausbildungen von Berufslehre bis Hochschulstudium nachgefragt. Die Definition des Berufsfelds ICT basiert auf dem weltweit verwendeten UNO Standard der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). 3
Folgen des ICT-Fachkräftemangels für die ganze Schweiz
2.1 Wertschöpfungsverlust durch den ICT-Fachkräftemangel
Die essenzielle Stärke unseres Wirtschaftssystems ist der Umgang mit knappen Ressourcen. Während planerische oder technokratischere Systeme auf dem Papier für einzelne Problemstellungen effizienter scheinen, so ist es die Fähigkeit des kapitalistischen Systems, dass bei Knappheit die Ressourcen dorthin alloziert werden, wo sie relativ effizient eingesetzt werden. So gesehen stellt auch eine Knappheit an Fachkräften a priori kein unlösbares Problem für ein marktwirtschaftliches System dar. Gewisse Anpassungsprozesse wie höhere Löhne sowie verstärkte Ausgaben für die Aus- und Weiterbildung von Angestellten sind richtig und wichtig.
Normalerweise reichen diese Signale aus, um mittelfristig wieder ein Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt herzustellen. Im Fall der ICT erschweren drei Faktoren dieses Einpendeln: Erstens wächst das Berufsfeld ICT seit Jahrzehnten dreimal schneller als die Gesamtbeschäftigung in der Schweiz (vgl. IWSB (2022)). Zweitens dauern die Ausbildungszyklen mehrere Jahre. Drittens stagniert der Pool an MINT4-interessierten Personen seit Jahren. Kombiniert bedeutet dies, dass die Anpassungsprozesse auf der Arbeitsangebotsseite schlicht länger dauern als auf der Arbeitsnachfrageseite. Ferner sind generell im Themenfeld MINT Fachkräfte rar.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind zum Beispiel Lohnanpassungen keine Wertschöpfungsverluste, es verschiebt sich lediglich die Marktmacht zugunsten der Arbeitnehmenden. Problematisch sind Verlagerungen von Arbeiten ins Ausland (Outsourcing, Nearshoring) oder der Verzicht auf Aufträge. Doch auch diese Verluste sind nur gewichtig, wenn die Aufträge eine – im Vergleich zur restlichen Wirtschaft – überdurchschnittliche Wertschöpfung erbringen.
Die Bestimmung dieser Wertschöpfung ist schwierig, da die ICT-Beschäftigten in vielen Branchen tätig sind, nur rund ein Drittel arbeitet in der ICT-Kernbrache (vgl. IWSB (2022)). Ein guter Indikator sind die gezahlten Löhne im Berufsfeld. Wie Abb. 1 verdeutlicht, ist der ICT-Bruttomedianlohn (8’900 CHF) im Vergleich zum Durchschnitt in der Schweiz (6’500 CHF) sehr hoch. Aber auch im Vergleich zum Medianlohn der MINT-Berufe (7’700 CHF) werden hohe Löhne bezahlt, was impliziert, dass die erbrachte Wertschöpfung in der Unternehmung ebenfalls hoch ist.
Um den Wertschöpfungsverlust als Folge des ICT-Fachkräftemangels zu bestimmen wurde folgendes Vorgehen auf Basis der ICT-Fachkräfteprognose 2030 gewählt:
Der Fachkräftemangel bis 2030 wurde auf die einzelnen Jahre bis 2030 heruntergebrochen.
Die Prognose zur konjunkturellen Entwicklung in Kombination mit dem erwarteten Strukturwandel wurde genutzt, um den erwarteten ICT-Bedarf je Branche herzuleiten.
Der erwartete ICT-Bedarf je Branche wurde als Schüssel verwendet, um den ICT-Fachkräftemangel pro Jahr auf die Branchen umzulegen. Dies ist eine stark vereinfachende Annahme, da es einzelnen Branchen auf Basis der präsentierten Arbeitsbedingungen einfacher fällt, Fachkräfte zu rekrutieren als anderen.
Die Zahlen des Bundesamts für Statistik zur Arbeitsproduktivität je Branche5 wurden dann verwendet,um diesen Mangel in Wertschöpfungsverlust umzurechnen.
Aggregiert man nun diesen Wertschöpfungsverlust für alle Jahre bis zum Jahr 2030, so kann die Schweiz Wertschöpfung im Wert von bis zu 31.1 Mrd. CHF nicht realisieren. Dies entspricht der Wertschöpfung, welche heute die ganze Versicherungsbranche (30.8 Mrd. CHF) in einem Jahr erwirtschaftet.
Dieser Wertschöpfungsverlust ist eher als obere Grenze anzusehen. Einerseits ist es denkbar, dass es gelingt, noch deutlich mehr ICT-Fachkräfte als bisher aus dem Ausland zu rekrutieren und andererseits könnten die verstärkten Ausbildungsanstrengungen der ICT-Berufsbildung Schweiz gegebenenfalls bereits etwas früher schon Erfolge erzielen.
2.2 Entwicklung der ICT-Beschäftigung im internationalen Vergleich
Erfreulicherweise wächst das Berufsfeld ICT seit Jahrzehnten rund dreimal so schnell wie die Gesamtbeschäftigung in der Schweiz (vgl. Abb. 2). Das ist sowohl mit Blick auf die Digitalisierung als Megatrend als auch mit Blick auf die Löhne als Wertschöpfungstreiber eine gute Nachricht. Auch bedeutet dies, dass es der Schweiz gelingt, gewisse Wachstumschancen zu nutzen. Um das Ausschöpfen von Wachstumspotenzialen beurteilen zu können, lohnt es sich, die Entwicklung anderer europäischer Länder zu betrachten.
Betrachtet man nun das europäische Ranking von Eurostat für 2021, so nimmt die Schweiz mit einem Anteil von 5.5 Prozent der Erwerbstätigen, was den ICT-Beruf betrifft, den 9. Platz ein. Sie erreicht nur Platz 10, wenn davon ausgegangen wird, dass das Vereinigte Königreich seinen Anteil gegenüber 2019 mindestens halten konnte. Es liegen diesbezüglich jedoch keine Daten für 2021 vor. Angesichts der 35 betrachteten Länder ist dies ein Rang im vorderen Mittelfeld (vgl. Tab. 2 im Anhang für Details). Auch stieg der Anteil gegenüber 2013 von 4.8 Prozent um 0.7 Prozentpunkte. Damals war die Schweiz jedoch das Land mit der vierthöchsten ICT-Affinität der Tätigkeiten, hinter Finnland, Schweden und dem Vereinigten Königreich.
In Abb. 3 wird der Grund auf Basis ausgewählter Länder deutlicher: Alle dargestellten Länder wurden digitaler, viele aber stärker als die Schweiz. Der Spitzenreiter Finnland war das Land mit dem geringsten Bedeutungszuwachs in diesem Zeitraum, aber er startete von Platz 1 aus und erhöhte den Anteil trotzdem noch mehr als die Schweiz: 1.1 Prozentpunkte. Schweden konnte mit einem Zuwachs um 2.3 Prozent an der Gesamtbeschäftigung gar Platz 1 erobern. Portugal liegt zwar noch hinter der Schweiz, wird aber als Volkswirtschaft mit Blick auf die ausgeübten Tätigkeiten in gleicher Geschwindigkeit digitaler wie Schweden und könnte die Schweiz somit in ein paar Jahren einholen.
Interessant ist auch der Vergleich mit Irland und den Niederlanden. Beide Länder hatten 2013 den gleichen Anteil ICT-Beschäftigter an der Gesamtbeschäftigung von 4.7 Prozent und damit eine fast identische Ausgangslage wie die Schweiz (4.8 Prozent). Die Entwicklung dieser drei Länder war bis 2017 noch fast gleich, danach legten aber zuerst die Niederlande und ab 2019 auch Irland deutlich stärker zu, sodass die beiden Länder nun 0.8 bzw. 1.2 Prozentpunkte vor der Schweiz liegen.
Die beobachtete Entwicklung ist langfristig problematisch, da ICT-affinere Länder bessere Chancen haben, ICT-Cluster zu entwickeln und sich die bisherigen Tendenzen infolgedessen verstärken können. Es sinkt – relativ zu anderen Ländern – auch der Pool an verfügbaren ICT-Fachkräften, was die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz in Bezug auf digitale Themen schwächt.
2.3 Effekt des ICT-Fachkräftemangels auf die Rankings zur Wettbewerbsfähigkeit
Die aufgezeigte Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit wird sich mit der Zeit auch in den Rankings zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit niederschlagen. Wie, in welchem Umfang und welche Massnahmen dagegen wichtig sind, wird in diesem Kapitel erörtert.
Rankings zur Wettbewerbsfähigkeit werden von verschiedenen Institutionen erstellt. Zu den renommiertesten gehören der Global Competitiveness Index des World Economic Forum (WEF), das World Competitiveness Ranking der IMD Business School oder der Global Competitiveness Index der World Bank. In Bezug auf die digitale Wettbewerbsfähigkeit ist das World Digital Competitiveness Ranking (WDCR) der IMD Business School das renommierteste. Der Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) wäre inhaltlich auch ein interessantes Mass, er wird jedoch von der Europäischen Kommission erstellt und vergleicht nur die EU-Länder ohne die Schweiz.
Um zu verstehen, wie sich die gemessene digitale Wettbewerbsfähigkeit verändert, ist es wichtig, die methodischen Grundlagen kurz darzulegen. Das WDCR besteht aus drei Säulen: «Knowledge», «Technology» und «Future Readiness». Hier schliesst die Schweiz im neuesten Report auf den Rängen 1, 11 und 3 ab, was zum Gesamtrang 6 führt. Jede Säule besteht nochmals aus drei Subindizes, welche auf vier bis sieben Indikatoren fusst. Alle Säulen und Subindizes fliessen mit gleichem Gewicht ein. Die Indikatoren verteilen sich ungefähr hälftig auf «harte» statistische Fakten und «weiche» Umfrageergebnisse bei Führungskräften.
Die Säule «Technology» des WDCR sollte aus Sicht der Schweiz nicht überbewertet werden, da sie einige Indikatoren beinhaltet, welche auf spezifische Eigenheiten der Schweiz zurückzuführen sind. Beispielsweise findet sich die Schweiz beim Indikator «High-tech exports (%)» nur auf Rang 31, was leicht durch die Dominanz der Life-Sciences-Industrie beim Export erklärt werden kann. Oder auch die Verfügbarkeit bzw. Abdeckung mit mobilem schnellem Internet berücksichtigt die Topografie der Schweiz nicht.
Die Säule «Future Readiness» des WDCR ist per se wichtiger, jedoch geht es hier mehr um Themen, welche das digitale Zusammenleben von Staat und Bürger bzw. Staat und Wirtschaft betreffen. Der ICT-Fachkräftemangel fliesst in diesem Zusammenhang nur indirekt in Indikatoren ein, welche zum Beispiel die Agilität der Unternehmen betreffen.
Die Säule «Knowledge» des WDCR hingegen besteht aus drei Subindizes, welche alle mit dem Thema ICTFachkräftemangel verknüpft sind: «Talent», «Training and Education» sowie «Scientific Concentration». Ein Vergleich ist in diesen Subindizes vor allem mit den europäischen Spitzenländern (Schweden #3, Dänemark #4) interessant, da die anderen Spitzenländer entweder deutlich grössere (USA #1) oder weniger gut vergleichbare Strukturen aufweisen (Hong Kong #2, Singapur #5).
Alle drei europäischen Länder verfügen über beträchtliches Verbesserungspotenzial im Hinblick auf die Gewinnung von Frauen für MINT-Themen bzw. MINT-Themen allgemein («Women with degrees», «Female researchers», «Graduates in Sciences»), wenn man die Anzahl der Publikationen im Verhältnis zu den investierten Mitteln zugrunde legt.
Sehr positiv zu werten ist, dass die Schweiz nicht nur in Kategorien gut abschliesst, in welchen sie dank des hohen Kapitalstock fast immer gut abschneidet (z.B. «Total expenditure on R&D (%)» bzw. indirekt «Total R&D personnel per capita»), sondern auch in den Indikatoren «Employee training» und «Scientific and technical employment». Der erste Indikator ist eine Umfrage dazu, wie wichtig die Weiterbildung der Arbeitnehmenden in Schweizer Firmen ist, während der zweite Indikator sich generell auf MINT-Tätigkeiten bezieht, wobei hier unter anderem auch die starken Life-Sciences ins Gewicht fallen.
Der scheinbare Widerspruch zwischen dem Verbesserungspotenzial bei der Zahl an MINT-Absolventinnen und MINT-Absolventen auf der einen und den hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf der anderen Seite löst sich auf, wenn die beiden Indikatoren betrachtet werden, in welchen die Schweiz auf Rang 1 liegt: «International experience» und «Foreign highly-skilled personnel». Die Schweiz vermag noch immer hochqualifizierte ICT-Fachkräfte aus dem Ausland zur rekrutieren. Bei der Verfügbarkeit von digitalen Kompetenzen auf dem lokalen Arbeitsmarkt sehen die befragten Führungskräfte aber die Schweiz nur noch auf Rang 11, während Schweden und Dänemark auf den Rängen 2 bzw. 3 liegen.
Damit ist auch eine zentrale Stärke der Schweiz als kleine offene Volkswirtschaft aufgezeigt. Der Zugang zu ausländischen ICT-Spezialisten muss auf jeden Fall politisch weiter gewährleistet werden. 12 Prozent der ICT-Beschäftigten sind im Jahr 2021 im Zeitraum 2017 bis 2021 zugewandert, während dies, auf alle Berufe in der Schweiz bezogen, nur für 7 Prozent galt (vgl. Abb. 4).
Zu beachten gilt es aber, dass die Arbeitsmärkte im europäischen Ausland für Arbeitskräfte aus den jeweiligen Ländern immer attraktiver werden (vgl. Kap. 2.2). Dadurch wird es trotz höheren Lohnniveaus in Zukunft schwieriger, internationale ICT-Fachkräfte zu rekrutieren.
2.4 ICT-Fachkräftemangel und die «Tragik der Allmende»
Angesichts dieser Ausgangslage und auch unter Berücksichtigung des Problems, dass die Bildungszyklen länger dauern und mit dem grossen Beschäftigungswachstum nicht mithalten können, mag es erstaunen, dass die Unternehmen sich nicht noch mehr engagieren. Zwar ist die Berufsbildung in der ICT etabliert, die Lehrstellen wachsen kontinuierlich an und die Löhne steigen, und doch werden nicht genügend Lehrstellen angeboten. Diese sind essenziell, da die ICT-Lehrabsolventen in grosser Zahl danach auch eine Tertiärausbildung anstreben (mehr dazu in der in Kürze publizierten Fachkräftestudie der ICT-Berufsbildung Schweiz).
Ein gewichtiger Grund für den Mangel an ICT-Lehrstellen ist die sogenannte «Tragik der Allmende». Damit wird in der Ökonomie das Problem beschrieben, dass es zwar ein soziales Optimum gibt, wovon alle profitieren, dass aber die Abweichung von der benötigten gemeinsamen Strategie profitabler ist. Konkret bedeutet dies: Es wird für Unternehmen interessanter,sich aus der Grundbildung (etwas) zurückzuziehen, je mehr sich andere Unternehmen engagieren, da sie selbst auch vom Engagement anderer Firmen profitieren.
Die Politik hat mit der Allgemeinverbindlicherklärung von Berufsbildungsfonds ein Instrument geschaffen, das diesem Problem Einhalt zu gebieten vermag. Die Allgemeinverbindlicherklärung bewirkt nämlich, dass auch Betriebe in die (finanzielle) Verantwortung genommen werden, welche sich nicht (ausreichend) an der Berufsbildung beteiligen.
Die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung von Berufsbildungsfonds umfassen vier Aspekte: • Einhaltung der Quoten (mindestens 30 Prozent der Betriebe der Branche mit mindestens 30 Prozent der Arbeitnehmenden beteiligen sich bereits finanziell an Berufsbildungsfonds) • eigene Bildungsinstitution • Beiträge müssen den branchentypischen Berufen zugutekommen • Beiträge müssen allen Betrieben der Branche zugutekommen Die Querschnittsfunktion der ICT verunmöglicht jedoch eine solche Lösung, da der Organisationsgrad nicht erreicht werden kann, da sich die ICT-Berufe in allen Branchen finden. Daher wäre auch zu überlegen, ob es hier eine direkte staatliche Unterstützung bräuchte.
Fazit
Es konnte aufgezeigt werden, dass die Fachkräfteprognosen der vergangenen Jahre jeweils zu konservativ ausfielen: Das Wachstum des Berufsfelds ICT übertrifft jeweils die Vorhersagen. Auch die Bemühungen der ICT-Berufsbildung Schweiz,zusammen mit der Wirtschaft zusätzliche Lehrstellen zu schaffen, fruchten zwar, sie können aber mit dem Wachstum des Berufsfelds nicht mithalten und so schliesst sich die Fachkräftelücke bis auf Weiteres nicht.
Ausbildungsseitig verhindert ferner die «Tragik der Allmende» zusätzlich, dass ausreichend Lehrstellen geschaffen werden. Das Instrument dagegen (Allgemeinverbindlicherklärung eines ICT-Berufsbildungsfonds) kann jedoch von der ICT nicht genutzt werden, weil das Einsatzgebiet der ICT-Beschäftigten die ganze Schweizer Volkswirtschaft umfasst.
Das grosse Wachstum an ICT-Beschäftigen führt zu einer immer stärker digitalisierten Wirtschaft. Gleichzeitig verliert die Schweiz gegenüber anderen europäischen Ländern an Boden. Länder wie Irland oder die Niederlande waren 2013 bezüglich des Anteils an ICT-Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung noch gleichauf und liegen nun deutlich vor der Schweiz. Dieser Rückstand kann sich leider selbst verstärken, wenn sich in anderen Ländern weitere ICT-Cluster bilden.
Die relative Stärkung der europäischen Länder bedroht auch einen der zentralen Gründe für die hohe Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz: die Zuwanderung von Fachkräften. Je attraktiver der heimische Arbeitsmarkt wird für ICT-Spezialisten, desto weniger Anreiz existiert, das Heimatland zu verlassen, trotz eines weiterhin in der Schweiz vorhandenen hohen Lohnniveaus.
Diese langfristige Schwächung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit ist real, wird aber durch die internationalen Rankings bis auf Weiteres nicht adäquat reflektiert, da diese auf diesen Aspekt nicht so sensitiv reagieren. Was das IMD World Digital Competitiveness Ranking in der Detailanalyse aber deutlich hervorbringt, ist das grosse Potenzial, über das die Schweiz im Fall der Frauen in der ICT noch verglichen mit anderen Ländern verfügt.
Insgesamt betrifft der ICT-Fachkräftemangel nicht nur alle Branchen, weil sie alle ICT-Spezialisten beschäftigten, sondern auch, weil bis zum Jahr 2030 eine Bruttowertschöpfung im Wert von maximal 31.1 Mrd. CHF nicht realisiert werden kann, die den Wohlstand der ganzen Schweiz heben würde. Dies entspricht der gesamten Wertschöpfung der Versicherungsindustrie in einem Jahr.
Anmerkungen
1 B,S,S. (2010), Econlab (2012, 2014), IWSB (2016, 2018, 2020, 2022). 2 Es handelt sich um die folgenden NOGA-Codes: 26.1-26.4, 26.8 (Herstellung von ICT-Gütern), 46.5 und 58.2 (Vertrieb von ICT), 61 (Telekommunikation), 62 und 63.1 (IT-Dienstleister), 95.1 (ICT-Reparatur). Vgl. www.kubb2008.bfs.admin.ch. 3 Es handelt sich um die folgenden CH-ISCO-19-Codes: 13300, 21520, 21530, 21660, 23560, 24340, 250, 251, 252, 351, 35210, 35220, 74220. 4 Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik. 5 Die aktuellen Zahlen zur Wertschöpfung sind aus dem Jahr 2019.
In der Herbstsession vom 12. bis zum 30. September 2022 sind mehr als 30 Geschäfte zur Digitalpolitik traktandiert – fast ein Drittel (9) hiervon im Ständerat aus dem Themenfeld Digital Health.
Ständerat
Schwerpunkt: Digital Health und elektronisches Patientendossier
Ein konkreter Use-Case, der die Nutzung des EPD vorwärts bewegen soll ist die Motion 21.4313, die den Bundesrat damit beauftragt, die Einführung eines elektronischen Impfausweises kompatibel mit dem elektronischen Patientendossier (EPD) zu realisieren.
Im Bereich Digital Health ist das Augenmerk auf 2 Motionen zu setzen: Die Motion 21.4374 würde bei einer Annahme den Bundesrat beauftragen, alle betroffenen Gesetze dahingehend anzupassen, dass die Prozesse rund um die Patientenadministration für alle involvierten Parteien der ambulanten und stationären Versorgungsbereichen im Sinne eines virtuellen Schweizer Gesundheitsnetzes digital abgewickelt werden können (Spital, Langzeit, Spitex, Praxen, Apotheken, etc.). Ein zentrales Element, um ein solche Patientenadministration zu verwirklichen, ist ein Patienten-Identifikator, der von allen Partnern im Gesundheitswesen (privat und öffentlich) in der Kommunikation eingesetzt werden kann. Die Motion 21.4373 verlangt ebendies. Alle erwähnten Motionen im Bereich EPD und Digital Health befinden sich im 2. Rat.
Weitere politische Geschäfte, die wir im Ständerat als wichtig ansehen:
Um den akuten Fachkräftemangel und dessen Folgen zu bekämpfen, schlägt die Motion 19.3882 vor, eine Änderung des Ausländerrechts vorzuschlagen, um das heute für Drittstaatenangehörige geltende Kontingentierungsmodell durch einen stärker auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichteten Mechanismus zu ersetzen. Digitalswitzerland hat mit seiner kürzlich veröffentlichten Studie die Opportunitätskosten (von CHF 30 Mrd.!) aufgezeigt, die anfallen, falls der Fachkräftemangel nicht angegangen wird.
Die Motion 21.3180 fordert vom Bundesrat, die vollständig digitale und damit medienbruchfreie Unternehmensgründung sicherzustellen. Dies ist ein guter und richtiger Schritt für das “Digital First”-Prinzip. Wiederum ist anzumerken, dass die Motion die Anzahl bürokratischer Schritte nicht verringert, da das Handelsregister Sache der Kantone ist.
Die drei oben erwähnten Motionen werden im 2. Rat behandelt.
Das vom Ständerat in der Sommersession ohne Gegenstimme durchgewinkte «Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben» (kurz EMBAG) mit den wichtigen zwei Ergänzungen der gesetzlichen Grundlage zur finanziellen Unterstützung von Digitalprojekten von öffentlichem Interesse sowie der Kürzung der Übergangsfrist für die Umsetzung auf drei statt fünf Jahre,, wird im Nationalrat behandelt. Digitalswitzerland hofft dabei auf ein ähnliches Abstimmungsresultat wie im Ständerat. Das EMBAG verankert das “Digital First”-Prinzip in Sachen E-Government. Die Folge wäre ein nachhaltiger Digitalisierungsschub in der Verwaltung.
Die Motion von Ständerat Würth “Die Schweiz voranbringen. Digitale Leuchtturmprojekte mit öffentlichem Interesse anschieben”, wird im Nationalrat behandelt. Wir hoffen auf Zustimmung der Fraktionen. Denn damit würde – ähnlich wie bei der Innovations- und Standortförderung – ein rechtlicher Rahmen gesetzt, damit private sowie privat-öffentliche Digitalprojekte von hohem gesellschaftlichen Interesse umgesetzt werden. Als Beispiel dient Dänemark. Das nordische Land hat bewiesen, dass privat-öffentliche Partnerschaften im E-Government und Gesundheitsbereich sowohl das breite Vertrauen der Bevölkerung geniessen, als auch standortfördernd wirken.
Weitere Geschäfte im Nationalrat
Der Nationalrat wird auch im Hinblick auf die Umsetzung der “Digitalen Strategie Schweiz” die Motion der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates “Geschlechterperspektive bei der Digitalisierung berücksichtigen” behandeln. Diese verlangt, die Geschlechterperspektive in die nächste Digitalisierungsstrategie des Bundesrates zu integrieren. Last but not least wird sich der Nationalrat als zweit Rat mit der Motion “Nachhaltige Entwicklung und Digitalisierung im Tourismus über Innotour stärken” auseinandersetzen. Die Motion verlangt das Ermöglichen langfristiger Finanzierungsmöglichkeiten bei Projekten für nachhaltige Entwicklung und Digitalisierung. Unter anderem wird die Motion damit begründet, dass die nachhaltige Entwicklung des Tourismus zugunsten der Liquiditätssicherungen aufgrund der Folgen der Pandemie in den kommenden Jahren massiv vernachlässigt wird. Die absehbaren Finanzierungslücken könnten so geschlossen werden.
Die Fachkräfteprognosen der vergangenen Jahre fielen jeweils zu konservativ aus: Das ICT-Berufsfeld der Schweiz wächst schneller als gedacht. Trotzdem verliert die Schweiz im internationalen Vergleich an Boden.
Die von digitalswitzerland herausgegebene Studie „Opportunitätskosten des ICT-Fachkräftemangels“ zeigt: Das im Vergleich mit umliegenden Ländern schwächere Wachstum der Schweizer ICT-Branche führt langfristig zu einer Abnahme der Standortattraktivität für ausländische Fachkräfte, was mittelfristig ernste Konsequenzen nach sich ziehen kann. Was diese Konsequenzen sind und welche Handlungsmöglichkeiten sich daraus für Wirtschaft, Politik und Bildung ergeben, verrät die Studie.
Die Studie wurde erstellt vom Institut für Wirtschaftsstudien Basel IWSB im Auftrag von digitalswitzerland.
Der Digital Gipfel Schweiz leistet einen wichtigen Beitrag zur Förderung und Gestaltung des Digitalisierungsprozesses der Schweiz. Bereits zum vierten Mal wurden hochkarätige Teilnehmer:innen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Verwaltung zusammengebracht, um intensiv über die konkreten Herausforderungen und Möglichkeiten der Digitalisierung in der Schweiz und über die Landesgrenzen hinaus zu diskutieren. Im Zentrum des diesjährigen anderthalbtägigen Austauschs stand das Potenzial von Technologien, die die Zukunft entscheidend prägen werden.
Studie über Digitalisierung und Cybersicherheit in KMU 2022
Mit dem propagierten „Ende“ der Pandemie geht auch die Flexibilität der KMU zu Ende. Vor allem die Arbeit von zu Hause aus hat sich nicht durchgesetzt, wie die Ergebnisse der aktuellen Studie zu Digitalisierung und Cybersicherheit in KMU zeigen. Ähnlich verhält es sich mit der Cybersicherheit: Trotz starker Präsenz in den Medien hat das Thema bei den befragten Unternehmen eine geringe Priorität. Auch die Umsetzung von organisatorischen und technischen Maßnahmen zur Verbesserung der Cybersicherheit hat nicht zugenommen. Ein Drittel der befragten KMU lagert seine IT-Sicherheit an externe Dienstleister aus. Die Qualität der angebotenen Dienstleistungen ist somit entscheidend für die Sicherheit der kleinen Unternehmen in der Schweiz.
Die Umfrage wurde im Auftrag der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft AG, digitalswitzerland, Allianz Digitale Sicherheit Schweiz, der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW – Kompetenzzentrum Digitale Transformation und der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW durchgeführt.
Lesen Sie die Präsentation der Pressekonferenz auf Deutsch.
Die Sommersession 2022 stand im Zeichen der Krisenbewältigung. Das Parlament beschäftigte sich mit den steigenden Energiepreisen, der Ukraine, den finanziellen Folgen der Corona-Pandemie und den Auswirkungen des Klimawandels. Aus digitalpolitischer Sicht machte das Parlament beim E-Government vorwärts.
Digital first für die Bundesverwaltung
Der Ständerat winkte das «Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben» ohne Gegenstimme durch. Dabei folgte er seiner vorberatenden Kommission, welche die Vorlage angesichts der Dringlichkeit der Digitalisierung um zwei wichtige Punkte ergänzte: Neu soll die Übergangsfrist für die Umsetzung nur drei statt fünf Jahre betragen. Weiter soll eine gesetzliche Grundlage zur finanziellen Unterstützung von Digitalprojekten von öffentlichem Interesse geschaffen werden (Art. 16a). Damit werden die gleichlautenden Motionen «Digitale Leuchtturmprojekte mit öffentlichem Interesse anschieben» von Ständerat Benedikt Würth (M-E) und Nationalrat Lars Guggisberg (SVP) in die Vorlage aufgenommen.
Diese Anliegen werden von digitalswitzerland und weiteren Digitalverbänden seit längerem unterstützt (siehe Schreiben Motion Würth und Kürzung der Übergangsfrist im EMBAG). Entsprechend begrüsst digitalswitzerland die deutliche Zustimmung des Ständerats. Es ist ein wichtiges Signal aus der kleinen Kammer an die Behörden, bei der Digitalisierung stärker vorwärtszumachen.
Ergänzend zum Entscheid der kleinen Kammer nahm der Nationalrat die Motion «Nutzenorientierte Digitalisierungsoffensive der Schweizer Verwaltung» von Marcel Dobler (FDP) an. Dobler fordert, dass Behördendienste im Vollzug von Bundesrecht künftig grundsätzlich digital angeboten werden.
Vorwärts gehen soll es auch bei der elektronischen Identität. So wurden die sechs gleichlautenden Motionen «Vertrauenswürdige staatlich E-ID» vom Ständerat verabschiedet. Der Bundesrat hat das Anliegen indes bereits aufgenommen und will seine neue E-ID-Vorlage noch im Sommer in die Vernehmlassung schicken.
Schlankere Regulierung beim Jugendschutz in Film und Videospielen Ohne Gegenstimme hat sich der Ständerat beim Bundesgesetz über den «Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele» für die schlankere Variante seiner Kommission ausgesprochen. Der ständerätliche Vorschlag lässt der betroffenen Branche der Streaming-, Abruf- und Plattform-Dienste mehr Spielraum, wie sie sich für die Umsetzung der Jugendschutz-Massnahmen organisieren wollen. Der Staat soll die Branche nicht zur Bildung zweier neuer Jugendschutzorganisationen zwingen; vielmehr könnten auch bestehende Organisationen die Aufgaben erfüllen. Weiter vereinheitlichte der Ständerat die Zielformulierung für Abrufdienste und Plattformen und verzichtete auf das Verbot von In-App-Käufen (Mikrotransaktionen) sowie auf Massnahmen zur Förderung der Medienkompetenz. Die beiden letzten Punkte seinen andernorts zu regeln. Die Vorlage geht nun zur Differenzbereinigung zurück in den Nationalrat.
«Lex-Booking» – Parlament verbietet Preisbindungsklauseln Auch der Ständerat hat die verschärfte Form des «Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Änderung» angenommen. Damit werden künftig in Verträgen zwischen Online-Buchungsplattformen und Beherbergungsbetrieben neben Preisparitätsklauseln auch Angebots- und Konditionenparitätsklauseln verboten. Die Vorlage wurde in der Schlussabstimmung von beiden Räten deutlich verabschiedet.
Mehr Mittel für die Cyber-Abwehr im Armee-Budget Der Ständerat beschloss mit der «Armeebotschaft 2022» eines der grössten Militärprogramme der letzten Jahre. Dabei sollen von insgesamt 9.3 Milliarden Franken rund 10 Millionen in den Cyber-Bereich fliessen. Weiter wurde der «Sicherheitspolitische Bericht 2021» vom Ständerat zur Kenntnis genommen. Die Diskussion drehte sich insbesondere um die Bedrohung durch hybride Kriegsführung mit Cyberangriffen und Desinformationskampagnen.
Insgesamt wurden über 20 interessante neue Vorstösse eingereicht (siehe auf politoscope.ch die hellblaue Kategorie «new business» unten links).
Vollständiger Rückblick auf der Plattform politoscope.ch
Den vollständigen Rückblick auf die Session mit allen Geschäften finden Sie auf der Monitoring-Plattform politoscope.ch. Diese wird exklusiv unseren Mitgliedern zur Verfügung gestellt.
In der Sommersession vom 30. Mai bis zum 17. Juni 2022 sind erneut über 50 Geschäfte zur Digitalpolitik traktandiert – zahlreiche hiervon aus den Themenfeldern E-Government und Cybersecurity.
E-Government erneut in beiden Räten Thema
Der Ständerat wird als Erstrat das «Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben» beraten. Mit der Gesetzesvorlage soll die Digitalisierung der Verwaltung vorangetrieben werden. Aus Sicht der ICT-Wirtschaft ist dies höchste Zeit. Deshalb forderten digitalswitzerland, asut und swissICT eine raschere Umsetzung (Übergangsfrist drei statt fünf Jahre, siehe Schreiben) und unterstützen den entsprechenden Antrag aus der vorberatenden Kommission.
Weiter wird sich der Ständerat mit den sechs gleichlautenden Motionen «Vertrauenswürdige staatlich E-ID» befassen, die parteiübergreifend von Vertreterinnen und Vertretern der FDP, glp, Grünen, Mitte, SP und SVP eingereicht wurden. Nach der Zustimmung des Bundesrats, des Nationalrats und der vorberatenden Kommission, dürfte die Annahme im Ständerat reine Formsache sein. Die Erarbeitung eines neuen E-ID-Gesetzes läuft derweil bereits auf Hochtouren. Die Vernehmlassung soll im Sommer 2022 starten.
Stärkerer Jugendschutz bei Film und Videospielen Der Ständerat wird als Zweitrat das neue Bundesgesetz über den «Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele» behandeln. Die vorberatende Kommission (WBK-S) hat aus Sicht der ICT-Wirtschaft deutliche Verbesserungen an der Vorlage vorgenommen. Sie will die internationalen Standards besser berücksichtigen und schlägt dem Ständerat eine pragmatischere und schlankere Regulierung vor, mit weniger kompliziertem Swiss Finish.
«Lex Booking» auf der Zielgeraden Der Ständerat wird sich als Zweitrat mit dem «Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Änderung» befassen. Zur Debatte steht das Verbot von Preisbindungsklauseln in Verträgen zwischen Online-Buchungsplattformen und Beherbergungsbetrieben. Der Nationalrat hat die Vorlage in der Frühjahrssession noch verschärft und will nun auch Verfügbarkeits- und Konditionenparitätsklauseln verbieten. Die vorberatende Kommission (RK-S) hatte nichts dagegen einzuwenden und beantragt dem Ständerat die verschärfte Verbotsversion anzunehmen.
Sicherheitsdebatte im Ständerat Die «Armeebotschaft 2022», welche neben der Grossbeschaffung der F-35-Kampfjets auch finanzielle Mittel für die Cyberabwehr umfasst, kommt erstmals in den Ständerat. Insgesamt umfasst die Botschaft Kreditanträge von 9,3 Milliarden Franken; wobei 110 Millionen hiervon laut Kommission in Material im Cyber-Bereich fliessen sollen. Der Ständerat wird sich zudem als Zweitrat mit dem «Sicherheitspolitischen Bericht 2021» des Bundes befassen. Gemäss diesem soll der Schutz vor Cyberbedrohungen und Desinformation gestärkt werden. Schliesslich steht die Interpellation von Charles Juillard (M-E) «Krieg gegen die Ukraine. Vorbereitung auf mögliche Bedrohungen und beschleunigte Modernisierung der Armee» auf dem Programm.
Geschäfte im Nationalrat
Der Bund soll sich für mehr Cybersecurity engagieren Der Nationalrat wird als Erstrat über die Motion von Franz Grüter (SVP) «Beteiligung des Bundes beim Aufbau und Betrieb des Nationalen Testinstituts für Cybersicherheit» debattieren. Grüter fordert den Bundesrat auf, die rechtlichen Grundlagen für die Beteiligung des Bundes am Aufbau und Betrieb des Nationalen Testinstituts für Cybersicherheit (NTC) zu schaffen. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung – er sieht den finanziellen Aufbau und Betrieb des Testinstituts als eine Aufgabe der privaten ICT-Wirtschaft.
Den vollständigen Rückblick auf die Session finden Sie auf der Monitoring-Plattform politoscope.ch. Diese wird exklusiv unseren Mitgliedern zur Verfügung gestellt.
Freundliche Grüsse, Andreas W. Kaelin, Geschäftsstelle Bern
Während der kurzen Sondersession vom 9. bis 11. Mai 2022 behandelte der Nationalrat über 20 Geschäfte mit Relevanz für die ICT-Wirtschaft und die Digitalisierung der Schweiz.
Beschlüsse im Nationalrat
Nationalrat spricht sich für mehr Netzsperren aus Der Nationalrat hat sich als Erstrat für die Motion «Unter-16-Jährige wirksam vor pornografischen Inhalten auf dem Internet schützen. #banporn4kids#» von Niklaus-Samuel Gugger (EVP) ausgesprochen. Dies entgegen der Ablehnung des Bundesrats, welcher Netzsperren aufgrund der leichten Umgänglichkeit nicht für ein geeignetes Mittel hält und in seiner Antwort zudem darauf hinweist, dass man sich bereits heute strafbar macht, wenn man den Zugang für unter 16-Jährige nicht verhindert. Von Seiten der ICT-Provider wird die massive Ausdehnung von Netzsperren ebenfalls abgelehnt; allein schon aufgrund des drohenden Overblockings. Das Geschäft geht nun in den Ständerat.
Cybersecurity – Subsidiaritätsbegriff im VBS muss neu geprüft werden Der Nationalrat teilt die Einschätzung seiner Kommission für Sicherheit (SIK), dass die Subsidiaritätsbegriff im VBS neu geprüft werden muss – insbesondere in der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsdienstleistungen im Cyberbereich. So wurde das Postulat «VBS. Subsidiarität und Cybersicherheit», welches auch vom Bundesrat unterstütz wird, einstimmig angenommen. Die Debatte zum Postulat «Massnahmen für einen besseren Schutz gegen Ransomware-Angriffe» von Edith Graf-Litscher (SP) wurde erneut verschoben.
Hingegen sprach sich der Rat deutlich für eine Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes aus. Dieses sieht unter anderem vor, das grosse Versandhandelsplattformen neu basierend auf ihrem Gesamtumsatzes Mehrwertsteuerpflichtig sind. Kommen sie der Steuerpflicht nicht nach, kann der Bund künftig Sendungen von in- und ausländischen Versandhandelsunternehmen und Online-Versandhandelsplattformen vernichten lassen. IT-Dienstleistungen sollen hingegen nicht in die obligatorische Plattformbesteuerung einbezogen werden, wie eine starke Kommissionsminderheit im Vorfeld gefordert hatte.
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Freundliche Grüsse, Andreas W. Kaelin, Geschäftsstelle Bern
Vom 9. bis zum 11. Mai 2022 wird der Nationalrat im Rahmen einer Sondersession tagen, um die angelaufene Geschäftslast abzubauen. Während den drei Sitzungstagen stehen über 20 Geschäfte mit Relevanz für die ICT-Wirtschaft und die Digitalisierung der Schweiz auf dem Programm. Im Fokus stehen erneut die Themenbereiche E-Health, Cybersecurity sowie die Modernisierung der Arbeitswelt.
Cybersecurity: Ransomware-Attacken geeint bekämpfen Die grosse Kammer behandelt das Postulat «Massnahmen für einen besseren Schutz gegen Ransomware-Angriffe» von Edith Graf-Litscher (SP). Diese fordert einen Bericht über Massnahmen zum besseren Schutz, welcher auch verbindliche Mindest-Vorgaben für Organisationen mit öffentlichem Auftrag berücksichtig sowie die Einführung von Meldepflichten und einen stärkeren Informationsaustausch zwischen Bund, Strafverfolgungsbehörden und privaten Security Incident Response Firmen enthält. Der Bundesrat unterstützt diese Forderung.
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Freundliche Grüsse, Andreas W. Kaelin, Geschäftsstelle Bern
Die Frühjahrssession 2022 wurde von den traurigen Ereignissen in der Ukraine geprägt: Gleich zu Beginn der Session forderte das Parlament mittels Erklärungen einen sofortigen Waffenstillstand von den Konfliktparteien und unterstützte die vom Bundesrat beschlossene Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland.
Cybersecurity in beiden Räten ein Top-Issue Im Zuge des Ukraine-Konflikts rückte auch das Thema Sicherheit und damit die Änderungen des Militärgesetzes und der Armeeorganisation in den Fokus. Das Geschäft wurde in der Schlussabstimmung einstimmig verabschiedet. Damit ebnet das Parlament den Weg für die Schaffung eines Cyberkommandos und einer Militärluftfahrtbehörde. Insgesamt verabschiedete das Parlament folgende 16 Vorlagen.
Schliesslich war auch der von digitalswitzerland unterstützte ePower-Sessionsanlass dem Thema Cybersecurity gewidmet. Unter dem Titel «Unabhängigkeit bei grösstmöglicher Cybersicherheit – ein Dilemma?» referierten unter anderen Bundesrat Ueli Maurer sowie der Delegierte für Cybersicherheit Florian Schütz (siehe Rückblick auf den Event).
Anschubfinanzierung für digitale Leuchtturmprojekte – Parlament sieht Handlungsbedarf Der Ständerat nahm als Erstrat die Motion Digitale Leuchtturmprojekte mit öffentlichem Interesse anschieben von Benedikt Würth (M-E) an. digitalswitzerland unterstützte die Forderung für mehr Anschubfinanzierungen in einem öffentlichen Schreiben an den Ständerat. Die Motion geht nun in den Nationalrat. Hier dürfte sie gute Chancen haben; denn die grosse Kammer stimmte bereits der gleichlautenden Motion von Lars Guggisberg (SVP) zu.
5G Moratorien sind vom Tisch Wie bereits der Ständerat hat nun auch der Nationalrat die drei Standesinitiativen aus den Kantonen Genf 20.309, Neuenburg 20.314 und Jura 21.305 abgelehnt, welche Moratorien beim Aufbau des 5G-Millimeterwellen-Netzes forderten. Somit sind diese drei Geschäfte erledigt.
Lex-Booking findet Mehrheit Als Erstrat hat sich der Nationalrat mit der Anpassung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) befasst. Mit dieser sogenannten «Lex booking» sollen Preisbindungsklauseln in Verträgen zwischen Online-Buchungsplattformen und Beherbergungsbetrieben verboten werden. Der Nationalrat verschärfte die Vorlage des Bundesrates sogar noch und will nun auch Verfügbarkeits- und Konditionenparitätsklauseln verbieten. SVP, FDP und GLP votierten erfolglos gegen die wettbewerbsfeindliche Sonderregelung der Hotelbranche.
Insgesamt wurden über 30 spannende neue Vorstösse eingereicht (siehe auf politoscope.ch die hellblaue Kategorie «new business» unten links).
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Andreas W. Kaelin, Deputy Managing Director, Geschäftsstelle Bern
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